Walter Demel, der als Skilangläufer in den 60er und 70er Jahren deutsche Sportgeschichte schrieb, feiert am 1. Dezember seinen achtzigsten Geburtstag.
Walter Demel, der als Skilangläufer in den 60er und 70er Jahren deutsche Sportgeschichte schrieb, feiert am 1. Dezember seinen achtzigsten Geburtstag.
„Schön war's, wenn es auch oft nicht so gegangen ist, wie ich es wollte. Aber im Leben kann man nicht alles gewinnen.“ Dem unvergessenen Journalisten Bruno Moravetz hat Walter Demel diese Sätze gesagt. Vor genau 20 Jahren, als er 60 wurde.
Nun feiert der Bayreuther, der als Skilangläufer in den 60er und 70er Jahren deutsche Sportgeschichte schrieb, am 1. Dezember seinen Achtzigsten. Und die Bilanz von damals gilt auch heute noch, gewinnt der Besucher den Eindruck – vom Ausgeglichenen und doch Energiegeladenen, vom nach wie vor leidenschaftlichen Sportler und wie einst temperamentvoll Erzählenden, sich an jedes Detail seiner Karriere erinnernden Walter Demel.
Bester Athlet bei vier Olympischen Winterspielen
Kaum ein anderer Sportler in der alten Bundesreublik hat seine Disziplin so geprägt, ihr so viele Impulse gegeben wie dieser Hauptwachtsmeister a. D. vom Bundesgrenzschutz Deggendorf. Der wiederum bekam wesentliche Impulse für seine Entwicklung von der damals noch jungen Freiburger Sportwissenschaft. Medizinisch von Professor Herbert Reindell, dem „Vater des Sportherzens“, trainingsgestalterisch von Woldemar Gerschler, dem Pionier des Intervalltrainings und Entdecker Rudolf Harbigs.
40 deutsche Meistertitel gewann Demel, damals noch auf ganzflächig gewachsten Holzski. 15 Jahre lang (von 1961 bis 1976) gehörte er zur Nationalmannschaft. War deren bester Athlet bei vier Olympischen Spielen und mehreren Nordischen Weltmeisterschaften. Dreißig Jahre Leistungssport kommen insgesamt zusammen. In denen er in Wettkampf und Training 120.000 Kilometer zurücklegte, also gleichsam dreimal um die Welt glitt.
Demel, der allzeit für den SC Zwiesel Startende – als Langläufer entdeckt bei einem 3.000 Meter Lauf (9:25) und erst mit 22 Jahren zum Leistungssport gekommen – war bei vielen großen internationalen Wettbewerben erfolgreich, bei denen er auch die als fast unschlagbar geltenden Skandinavier besiegte. So beim Coupe Kurrikala, beim „Top of the World“ in Kanada, in Kiruna und Kuusamo, La Clusaz, Reit im Winkl, Le Brassus, Santa Catarina und Kastelruth.
Dieser beispielhafte Einzelkämpfer lief auf Augenhöhe mit Loipen-Legenden wie Jernberg, Mätyranta, Grönningen, Ellefsaeter, Martinsson, Lundbaeck, Tyldum, Mieto, Wedjenin, Simjaschow. Doch wenn es um Medaillen ging, schaffte er es gegen die nordische und sowjetrussische Übermacht nur ein einziges Mal aufs Podest: 1966 in Oslo. Diese WM-Bronzemedaille über 15 Kilometer am Holmenkollen bezeichnet Demel als seinen größten Erfolg. Nur winzige drei Zehntel von Silber entfernt.
Fahnenträger in Sapporo 1972
Als schönstes Erlebnis gilt für den Oberfranken Sapporo 1972, die Olympischen Langlaufwettbewerbe auf Nishioka, den westlichen Hügeln der Insel Hokkaido. Da führte Demel die Mannschaft der Bundesrepulik als Fahnenträger ins Stadion; schwärmt er heute noch von der Faszination der Fremdartigkeit, der farbenfreudigen, so lockeren Eröffnungsfeier und der bewundernden, stillen Begeisterung der Japaner am Rande der Loipe.
Demel war damals, schon 36 Jahre alt, in der Form seines Lebens: Er wurde jeweils Fünfter über 30 und 50 Kilometer sowie Siebter über 15 Kilometer und – mit der fünftbesten Einzelzeit von allen Startern – auch in der 4x10-Kilometer-Staffel. Die Fachwelt bewunderte Deutschlands – zu dieser Zeit alleinigen – Mister Langlauf. Man errechnete, wenn es in Sapporo (wie eine Zeit lang bei den Alpinen) eine Kombinationswertung gegeben hätte, wäre Demel in der Addition seiner Zeiten Olympiasieger geworden.
Dank Demel feierte der Autor in Sapporo übrigens sein Debut als Langläufer. Mit wettkampfmäßig gewachsten Verbands-Rennski schickte das ZDF den Anfänger für eine Story „Rund um Demel“ in die Spur. Eine Stunde vor dem 30-Kilometer-Start mogelten sich Redakteur und Kameramann damals auf die präparierte Olympialoipe: Die japanischen Ordner hielten uns, weil im orangefarbenen offiziellen deutschen Team-Anorak, für Betreuer.
Im fernen Japan wurde ich Demel-Fan, der im nächsten Winter – als Urlauber im Südtiroler Kastelruth – dem DSV ein willkommener Helfer war, um bei der Internationalen Langlaufwoche den deutschen Athleten warmen Tee anzureichen. Beim ersten Einsatz habe ich dabei den Becher, etwas verkrampft, wohl zu lange festgehalten, und Walter Demel hätte bei der fliegenden Übergabe um ein Haar die Balance verloren. An seinen erschrockenen vorwurfsvollen Blick zurück erinnere ich mich bis heute. Besonders, wenn wir wandern gehen auf der Seiser Alm.
Alte Teamkollegen, Betreuer, Konkurrenten und natürlich die Journalisten haben Walter Demel aber auch noch „im Ohr“. Seine Kritiken – meistens an sich selbst gerichtet – wenn es nicht so gut gelaufen war. Wenn er schimpfte und haderte, trotz persönlicher Tests für seine Ski nicht das richtige Wachs getroffen zu haben. Für eben jene traditionellen, vorwiegend finnischen Holzski, an denen er noch festhielt, als der Umstieg auf die schnelleren Kunststoffprodukte bereits fast vollzogen war.
Politisches Engagement in Bayreuths Stadtparlament
Demel hatte schon einen eigenwilligen Kopf. Aber auch einen klugen. Bayreuths Bürger wählten ihn deshalb und natürlich seiner Popularität wegen 1966 – noch als aktiven Sportler – in ihr Stadtparlament. Dort hatte der SPD-Abgeordnete Sitz und geschätzte Stimme in mehreren Ausschüssen – u.a. für Jugendwohlfahrt und Sozialhilfe. Bis ins Jahr 2008.
„Als Sportler bin ich mitverantwortlich, wie unsere Gesellschaft aussieht“, so hat er dieses politische Engagement einmal begründet. Die Stadt Bayreuth dankte ihm für diese 42 Jahre mit dem Goldenen Ehrenbrief.
Wie es auch noch andere Würdigungen für Demel gab: u.a. das Silberne Lorbeerblatt, den Ehrenpreis des Internationalen Ski-Verbandes „Für einen vorbildlichen Sportler“, die Georg-von-Opel-Trophäe „Die stillen Sieger“, den Ehrenbrief der Stadt Zwiesel sowie, sieben Mal, den Goldenen Ski des Deutschen Skiverbandes. Einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle des Deutschen Sports („Hall of Fame“) hat man dem Langlaufpionier bisher nicht zuerkannt.
Freude am Sport stand im Mittelpunkt
Dass Walter Demel zu seinem Jubiläum nicht aussieht wie ein 80jähriger, sondern eher wie „zweimal 40“, verdankt er seinen weiterhin vielseitigen sportlichen Aktivitäten, meistens mit seiner seit 55 Jahren angetrauten Ehefrau Waltraud – dem Radfahren, Joggen, Schwimmen und den winterlichen Langläufen in den oberfränkischen Loipen am Ochsenkopf und bei Warmen-steinach.
Der Skilanglauf als Leistungssport ist für ihn inzwischen „eine andere Welt geworden: Deutsche Meisterschaften auf Skiroller, Wettbewerbe in Großstädten, im Oktober schon auf herangekarrtem Schnee, zu viele Disziplinen, die Massenstartrennen – 30 Athleten laufen 49 Kilometer lang im Pulk, dann ein Spurt – das ist Krampf; dazu die Vereinnahmung und Ablenkung der Aktiven durch Sponsoren und Medien“, sagt er.
All das gefällt Walter Demel so nicht. Er erkennt aber an, „dass der Sport sich nun mal für Show und Kommerz entschieden hat“. Deshalb auch: „Kein Neid, dass sie damit gutes Geld verdienen.“ Doch, nachdenklich: „Bei uns stand damals wahrscheinlich mehr die Freude am Sport im Mittelpunkt“.
Zu dieser Freude zählte bei Walter Demel auch das Bergsteigen, das er mit Ehefrau Waltraud intensiv pflegte, mit Stolz zurückblickend auf die Bezwingung von Mont Blanc, Matterhorn und Marmolada. Diese Herausforderung ist, dem Alter geschuldet, schon länger nicht mehr angesagt. Umso mehr aber die Pflege des großen Gartens rund um das Einfamilienhaus der Demels im schönen ländlichen Bayreuther Stadtteil Seulbitz; ganz besonders die des Rasens – einem grünen Teppich gleichend, wie der Rasen von Wimbledon in besten Zeiten.
Ein Evergreen eben, dieser Walter Demel, der sein Jubiläum daheim feiern wird – mit Ehefrau, Sohn und Tochter und den drei schon großen Enkelkindern.
Herzlichen Glückwunsch!
(Autor: Klaus Angermann)
Walter Demel vor seinen Trophäen-Sammlung. Foto: Klaus Angermann