Zwar blieben die deutschen Bogenschützen bei der Weltmeisterschaft in Herzogenbusch ohne Edelmetall, dennoch war man im DSB-Lager zufrieden: „Das alles Entscheidende bei der WM war der Gewinn der Team-Quotenplätze für Tokio 2020 bei den Frauen. Darauf haben wir intensiv hingearbeitet. Die Männermannschaft kann und soll hier in einem Jahr folgen“, so Bundestrainer Oliver Haidn.
Im entscheidenden Match gegen den Weltranglisten-Dritten Mexiko behielten Michelle Kroppen, Elena Richter und Lisa Unruh die Nerven und eine ruhige Hand und siegten 6:2. Damit nimmt erstmals seit 2004 (!) wieder das Maximum von drei Bogensportlerinnen an den Olympischen Spielen teil. „Das ist ein großartiger Tag für unsere Mannschaft, für den Deutschen Schützenbund und für alle Bogensportfans in Deutschland“, jubelte Haidn unmittelbar danach. Den Triumph der weiblichen Recurve-Sparte rundete Kroppen ab, die sich nach formidablen Auftritten bis in das Bronzefinale schoss und dort der Südkoreanerin Misun Choi mit 0:6 (24-29, 25-27, 25-28) unterlag. Kroppen war damit beste Europäerin und im Turnier nur von zwei Südkoreanerinnen zu schlagen gewesen. Richter und Unruh wurden 17., nachdem sie jeweils im Stechschuss ihren Gegnerinnen unterlegen waren.
Ein ähnliches Szenario hatten sich auch die deutschen Recurve-Männer vorgestellt, die sich nach schwierigem Qualifikationsstart steigerten, jedoch die sich bietende Chance gegen Frankreich nicht nutzten und bitter im Stechen mit 28-29 verloren. Und da auch im Einzel eher als erhofft Schluss war (Maximilian Weckmüller 17. Platz, Cedric Rieger 33. Platz, Florian Kahllund 57. Platz), blieben die Männer ohne olympischen Quotenplatz: „Der Anfang hat bei uns allen nicht so super geklappt. Das war im Team so und auch bei mir im Einzel. Insgesamt ist es nicht so erfolgreich gelaufen, wie wir es uns erhofft oder erträumt haben“, bilanzierte Weckmüller. Die Quotenplatzjagd ist jedoch nicht vorbei, die nächste Chance auf einen Einzelplatz bietet sich Rieger bei den European Games in Minsk (21.-30. Juni), der Traum vom Team-Quotenplatz kann sich beim Weltcup-Heimspiel 2020 in Berlin erfüllen. Dann werden die drei letzten Team-Quotenplätze ausgeschossen: „Da greifen wir nach den Teamplätzen“, zeigt sich Kahllund kämpferisch.
Bundestrainer Haidn glaubt ebenfalls an seine Männer, fordert aber von allen Seiten mehr: „Man muss insgesamt sagen, dass das internationale Niveau nochmals deutlich gestiegen ist. Wir brauchen Vollprofis mit höchster Eigenmotivation, die unter optimalen Rahmenbedingungen trainieren! Zudem können wir nur bei entsprechender Konkurrenz- und Auswahlsituation zukünftig erfolgreich Wettkämpfe bestreiten. Wir haben derzeit nur sechs konkurrenzfähige Sportler, zwei davon sind Profis. In den Top 30 im Einzel und in den Top Acht der Teams gibt es keine Amateure mehr. Die Mannschaft hat zwar im Vorfeld besser gearbeitet als die Jahre zuvor und sich auch gut in den Wettbewerb reingekämpft, wir haben aber eben - auch und gerade im Nachwuchsbereich in allen Disziplinen - nur eine begrenzte Auswahl an Athleten. Das ist unser größtes Defizit. Wenn wir es nicht schaffen, zukünftig mit sechs Frauen und sechs Männern als Profis international unterwegs zu sein, werden wir dauerhaft keine Chancen mehr auf Medaillen haben.“
Vom Profitum können die nicht-olympischen Compound-Schützen nur träumen. Alle gehen einem „normalen“ Beruf nach und traten bei der WM gegen Vollprofis aus Übersee und Europa an. Am besten gelang das Marcel Trachsel, der im Einzel Platz 17 belegte und im Mixed (mit Janine Meißner) und im Team (mit Sebastian Hambach und Marcus Laube) Rang neun erreichte. „Es war nicht schlecht, es muss aber definitiv besser werden – und das wird es auch. Die Weltspitze ist noch enger geworden, aber es kommt auch aufs Glück an, und das hatten wir dieses Mal nicht.“
Mit Platz neun für das Frauen-Team sowie den Einzelplätzen 33 von Janine Meißner und Kristina Heigenhauser sowie Platz 57 für Velia Schall konnten die Compounder insgesamt nicht an die hervorragende Bilanz vor zwei Jahren in Mexiko City anknüpfen. Damals gab es mit Bronze für Heigenhauser und Silber für das Mixed Heigenhauser & Trachsel zweimal Edelmetall. Der Disziplinverantwortliche Holger Hertkorn sah dennoch längst nicht alles schlecht: „Die Qualifikation und ersten Runden waren durchaus vielversprechend. Das ganze Team hat an die guten Ergebnisse der vorangegangenen Turniere anknüpfen können. 3x 700 und mehr Ringe in der Qualifikation durch Janine, Marcel und Sebastian sind absolut super. Das Niveau in der Weltspitze wird aber auch immer höher, so gab es beispielsweise 42 Männer mit 700 und mehr Ringen. Leider konnte an den guten Beginn nicht angeknüpft werden. In der Ko-Phase kann man aber selbst mit Topergebnissen nicht mehr damit rechnen, weiter zu kommen. Daher gehört auch ein wenig Glück dazu, das wir dieses Mal leider nicht hatten. Alle sind aber motiviert, bei den European Games und dem Weltcup in Berlin erneut gute Ergebnisse zu zeigen. Ich habe allerhöchsten Respekt vor unseren Athletinnen und Athleten, die sich immer wieder motivieren können, neben Ihrem Beruf, Ihre Zeit und Ihren Urlaub voll in das Bogenschießen zu stecken."
Die Medaillen gingen an folgende Schützen und Nationen
Recurve Team Frauen: 1. Taiwan 2. Südkorea 3. Großbritannien
Recurve Team Männer: 1. China 2. Indien 3. Südkorea
Recurve Mixed: 1. Südkorea 2. Niederlande 3. Italien
Recurve Einzel Frauen: 1. Chien-Ying Lei (Taiwan) 2. Chae Young Kang (Südkorea) 3. Misun Choi (Südkorea) 4. Michelle Kroppen
Recurve Einzel Männer: 1. Brady Ellison (USA) 2. Anuar Khairhul Mohamad (Malaysia) 3. Ruman Shana (Bangladesch)
Compound Team Frauen: 1. Taiwan 2. USA 3. Indien
Compound Team Männer: 1. Südkorea 2. Türkei 3. Niederlande
Compound Mixed: 1. Südkorea 2. Frankreich 3. Taiwan
Compound Einzel Frauen: 1. Natalia Avdeeva (Russland) 2. Paige Pearce (USA) & 3. Surekha Vennam (Indien)
Compound Einzel Männer: 1. James Lutz (USA) 2. Anders Faugstad (Norwegen) 3. Jongho Kim (Südkorea)
Autor: DSB/DOSB