Gerade nach den Terroranschlägen und -drohungen kann der Sport mehr denn je zeigen, wie er helfen kann, geistige und geografische Grenzen zu überwinden, sagt Autor Jörg Stratmann.
Gerade nach den Terroranschlägen und -drohungen kann der Sport mehr denn je zeigen, wie er helfen kann, geistige und geografische Grenzen zu überwinden, sagt Autor Jörg Stratmann.
Es gibt Wichtigeres als den Sport. Selten ist diese Floskel grausamer bestätigt worden als in diesen Tagen der Trauer und Erschütterung, als ein Fußballspiel an einem Freitag, dem Dreizehnten, selbstverständlich zur Randnotiz schrumpfte. Und weil Sicherheit nach einem offenbar sehr konkreten Verdacht natürlich vorging, haben der Fußball und viele Tausend Anhänger an diesem Dienstag in Hannover darauf verzichten müssen zu zeigen, was den Sport gleichwohl auszeichnet: Dass er nämlich besser als wohl kaum eine andere gesellschaftliche Bewegung Brücken über Gräben zwischen Weltanschauungen bauen kann.
An diesem Dienstag waren weitere Länderspiele geplant: Auch die Begegnung Deutschland gegen die Niederlande sollte zu einem Zeichen der Gemeinschaft werden, zur Geste der Solidarität mit Terror-Opfern und deren Angehörigen und zu einem Signal, mit dem sich Mannschaften stellvertretend für den Sport, für unsere Werte und Kultur, für ein friedliches und faires Zusammenleben einsetzten. Es wäre ein weithin sichtbares Indiz dafür gewesen, was Sport bewirken kann.
Eine Absage aus Gründen der Sicherheit ist das eine und völlig Verständliche – ein Aufgeben vor dem Terror wäre das andere. „Gerade jetzt müssen zusammenstehen und die Herausforderungen annehmen“, hat DOSB-Präsident Alfons Hörmann dieser Tage gesagt und ergänzt: „Sport wird Hoffnung schaffen, wo im Moment Entsetzen und Verzweiflung herrschen.“
Das wird weiterhin gelten für die große Bühne der Gefühle und Symbole, die der Sport bei Länderspielen oder Olympischen und Paralympischen Spielen bietet. Das gilt für die über Jahrhunderte bewährte, völkerverbindende Olympische Idee des friedlichen und fairen Zusammentreffens von Menschen aus aller Welt. Das gilt aber auch und gerade in der Vielfalt und dem wertschätzenden Miteinander des gemeinnützigen Sports im Kleinen und Alltäglichen.
Das ist unbestritten und schnell gesagt – und muss sich doch täglich neu beweisen. Niemand weiß das besser als beispielsweise diejenigen, die das gerade 25 Jahre alt gewordene Bundesprojekt „Integration durch Sport“ betreuen. Bei allem sichtbaren Erfolg bleiben auch hier Fragen: Wie können wir noch besser und wirksamer Verständnis für den Anderen fördern? Wie kann faires Miteinander in der kulturellen Vielfalt über den Sport hinaus als Vorbild hinein in Familie, Alltag, in Schule und Gesellschaft wirken? Und sind diejenigen, die uns das Tag für Tag vorleben, nicht noch größere Sporthelden als unsere besten Kicker und Olympiaathleten?
Darum geht es, da sich das Programm „Integration durch Sport“ gerade auch für Flüchtlinge geöffnet hat. Und darum geht es auch bei Olympischen und Paralympischen Spielen. Zum so verstandenen olympischen Gedanken gehören nämlich ebenso all die großen und kleinen Projekte in den mehr als 90.000 Vereinen, die auf den Einzelnen zugehen und dafür sorgen, dass wir uns täglich auf dem Sportplatz und darüber hinaus verstehen und fair miteinander umgehen.
Das ist eine gewaltige gesellschaftliche Kraft, die jede Förderung wert ist. Der Sport macht hier vor, was auch in anderen Teilen der Gesellschaft selbstverständlich sein sollte. Verbunden damit ist indes zugleich große Verantwortung, der – zugegeben – nicht jeder Vertreter des Sports in diesen Zeiten angemessen nachkommt. Doch werden wir dem Sport auch nicht gerecht, wenn wir ihn nur nach diesen Auswüchsen beurteilen.
Die Herausforderungen für uns alle werden größer. Für den Sport bleibt aber auch nach diesem Dienstag bestehen: Mehr denn je kann er zeigen, wie er helfen kann, geistige und geografische Grenzen zu überwinden.
(Autor: Jörg Stratmann)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.
Die Begegnung Deutschland gegen die Niederlande sollte ein Zeichen setzen, musste aber wegen einer Terrordrohung abgesagt werden. Foto: picture-alliance