Geschichtsstunde

Auf dem Bauch ins Finale und dann zu Gold

In unserer Geschichtsstunde blicken wir wöchentlich auf einen historischen Moment der deutschen Olympia-Geschichte. Heute: Der Gewinn der Goldmedaille der Eisschnelllauf-Teamverfolgung 2010 in Vancouver.

Autor: DOSB
2 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 21. Dezember 2017

Bei unserer Wahl zu Deutschlands Wintersport-Moment unterlag dieses Ereignis im ersten Viertelfinale dem Schanzen-Thriller unser Skispringer, auf den wir bereits in der vergangenen Woche geblickt haben. Dennoch soll der Gold-Erfolg unserer Teamstaffel auf dem Eis nicht vergessen werden. Für uns also Grund genug, noch einmal ins Jahr 2010 zu blicken, als Anni Friesinger auf dem Eis von Vancouver taumelte, am Eis nuckelte und dem deutschen Team dennoch die Finalteilnahme sicherte. 

Steigen wir ein im Viertelfinale, als das deutsche Frauen-Team um Daniela Anschütz-Thoms, Stephanie Beckert und Anni Friesinger-Postma in 3:01,95 die schnellste Zeit überhaupt hinlegte und so die Niederländerinnen bezwang.

Im Halbfinale warteten nun die US-Amerikanerinnen, die sich zuvor knapp gegen Kanada durchsetzen konnten. Es sollte ein Rennen werden, in dem Sportgeschichte geschrieben wird. Denn Anni Friesinger-Postma bekam bereits in der vorletzten der sechs Runden Probleme, das hohe Tempo zu halten. In der vorletzten Kurve wurde die Lücke zu Anschütz-Thoms und Beckert nach einem Strauchler größer, der Vorsprung auf die Amerikanerinnen schmolz dahin. In der nächsten, der letzten Kurve, war die 16-fache Weltmeisterin dann endgültig am Ende ihrer Kräfte angelangt: Sie stürzte 50 Meter vor dem Ziel. Doch durch den Schwung rutsche Friesinger-Postma auf dem Bauch liegend weiter und riss auf Höhe der Ziellinie ihren Schuh nach vorne, um die Lichtschranke auszulösen.

Der Traum vom Finale schien geplatzt. Anni Friesinger-Postma lag enttäuscht mit dem Gesicht zum Eis auf dem Boden. Dann der verstohlene Blick auf die Anzeigetafel und die große Überraschung: Mit ihrem geistesgegenwärtigen Handeln auf der Ziellinie hat die Gestürzte dem Team 23 Hundertstelsekunden Vorsprung gerettet. Schließlich wird für die Zeit die Spitze des Schlittschuhs der dritten Läuferin gewertet. Die deutschen Damen sind sprichwörtlich doch noch ins Finale gerutscht.

Im Finale ersetzte sodann Katrin Mattscherodt Friesinger-Postma. Und wer nun glaubte, spannender als im Halbfinale könne es ohnehin nicht mehr laufen, sollte eines Besseren belehrt werden. Denn zwei Runden vor dem Ende hatte das deutsche Trio noch rund 1,7 Sekunden Rückstand auf die starken Japanerinnen. Doch vor allen Dingen die starke Stephanie Beckert führte das Team Schritt für Schritt zurück ins Titelrennen. Dank eines herausragenden Endspurts gewann Deutschland am Ende, wie schon vier Jahre zuvor in Turin, die Goldmedaille – mit nur zwei Hundertstelsekunden Vorsprung in 3:02,82 Minuten.

Ein hochdramatischer Wettkampf also, bei dem sich abermals zeigt, dass es sich lohnt, nie aufzugeben. Und ein Novum obendrein, ist doch bislang bei Olympischen Spielen niemand bäuchlings und siegreich über die Ziellinie gerutscht. Der Bundestrainer Markus Eicher brachte es auf den Punkt, als er sagte, er habe so etwas noch nie erlebt.

Eine durchwachsene Saison mit vielen Höhen und Tiefen fand so doch ihr gutes Ende. Goldmedaillen gab es übrigens für alle vier deutschen Athletinnen – für Friesinger-Postma war es bereits die fünfte Olympische Medaille (3x Gold, 2x Bronze).

Vielleicht wird es ja bei den kommenden Olympischen Spielen in PyeongChang wieder ähnlich spannend – hoffentlich dann aber ohne Sturz.