Die Skilangläuferinnen überraschen mit Staffel-Silber. Nach Jahren voller Rückschläge ist die Euphorie riesig.
Mit ihren silbernen Schätzen um den Hals hüpften Katharina Hennig und ihre Co-Heldinnen nach der Siegerehrung zu wummernden Technoklängen ausgelassen über die Bühne, im Teamquartier legten die vier Feierbiester dann mit den Betreuern eine verflucht flotte Sohle auf das Parkett: Den ersten deutschen Skilanglauf-Feiertag seit fast einem Jahrzehnt genoss die olympische Überraschungsstaffel in vollen Zügen.
"Ich bin so froh, dass wir das heute derart gerockt haben. Wir sind durch einige Täler gegangen, endlich haben wir uns mal belohnt", sagte die 25-jährige Hennig, die wie Katherine Sauerbrey (24), Victoria Carl und Sofie Krehl (beide 26) das Rennen ihres Lebens lief. "Mit uns hat niemand gerechnet - außer wir selber", meinte Carl.
Nachdem Schlussläuferin Krehl mit allerletzter Kraft Platz zwei hinter der russischen Auswahl und damit die Medaille ins Ziel gerettet hatte, wurde sie von ihren kreischenden Kolleginnen fast erdrückt. Auf der brutalen Strecke in den kargen Hügeln Zhangjiakous düpierte das DSV-Team, das lange auf Goldkurs gelegen hatte, die Großmächte Schweden (3.), Finnland (4.) und Norwegen (5.).
"Das ist eine Sensation, ich habe eine Medaille nie für realistisch gehalten", sagte Peter Schlickenrieder. Der Bundestrainer, der am Mittwoch 52 Jahre alt wird, schluchzte nach dem frühzeitigen Geburtstagsgeschenk im Ziel hemmungslos. Auch an ihm hatte die lange Durststrecke kräftig genagt.
Die deutsche Männerstaffel lieferte am Sonntag ebenfalls ein starkes Rennen ab und erreichte als Fünfter beim russischen Sieg die beste Platzierung seit Silber 2006 in Turin. Zu einer weiteren Sensations-Medaille fehlten dem Quartett aber mehr als anderthalb Minuten.
2014 hatte die Frauen-Staffel um die heutige Biathlon-Olympiasiegerin Denise Herrmann mit Bronze in Sotschi das bis Samstag letzte Langlauf-Edelmetall geholt, es folgten viele Pleiten, zuletzt bei der Heim-WM in Oberstdorf. "Die hat sehr wehgetan", sagte Schlickenrieder: "Aber aus solchen Niederlagen lernt man. Und heute war hier nichts mehr, was man noch lernen könnte."
Seine vier Musterschülerinnen wuchsen allesamt über sich hinaus. Olympia-Debütantin Sauerbrey übergab als Startläuferin an Position zwei liegend an Hennig, die das deutsche Quartett in Führung brachte und erneut Weltklasse-Niveau nachwies. Carl verteidigte die Spitze erfolgreich, dann begann das große Zittern.
"Sofie hatte Todesangst, bevor sie loslief", sagte Schlickenrieder, was Krehl, die vermeintlich Schwächste im Team, auch bestätigte: "In so einer Situation war ich noch nie." Und als Krehl "auf der letzten Rille" (Schlickenrieder) wenige Meter Vorsprung auf Schwedens Sprint-Olympiasiegerin Jonna Sundling behaupten musste, wäre Hennig "beinahe gestorben".
Quelle: DOSB, SID