Der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper hat sich am Freitag im Hamburger Abendblatt zur Diskussion um die Kosten und den Nutzen Olympischer Spiele geäußert.
Der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper hat sich am Freitag im Hamburger Abendblatt zur Diskussion um die Kosten und den Nutzen Olympischer Spiele geäußert.
Wie viel kosten Olympische und Paralympische Spiele? Und welchen Nutzen bringen sie? Diese Fragen beschäftigen wenige Tage vor dem Referendum nicht nur, aber vor allem die Menschen in Hamburg, die am kommenden Sonntag – übrigens im Unterschied zu denen in Los Angeles, Paris, Rom und Budapest – über die Bewerbung ihrer Stadt abstimmen können.
Sie sind nicht leicht zu beantworten. Denn die Spiele, die an 17 (olympischen) und 12 (paralympischen) Tagen im August und September 2024 stattfinden sollen, sind das größte Ereignis weltweit. 69 Weltmeisterschaften mit über 20.000 Athleten und Betreuern werden von Zehntausenden Medienvertretern, Hunderttausenden Besuchern und Milliarden Fernsehzuschauern beobachtet. Sie erfordern neben den reinen operativen Kosten, zusammengefasst im sogenannten Organisations-Budget, auch Investitionen in die Infrastruktur der Stadt und der Region. Betrachten wir nacheinander beide Blöcke.
Ersterer wird für Hamburg 2024 etwa 3,4 Mrd. Euro umfassen. Daraus werden alle Durchführungskosten der Spiele gedeckt. Das sind neben den Verwaltungskosten des Organisationskomitees unter anderem alle Kosten der Teilnahme der Athleten an den Spielen, ihre Unterbringungs- und Verpflegungskosten, Transportkosten, Zuschüsse zu den An- und Abreisekosten, die Kosten für die medizinische Versorgung, für die Wettkämpfe, auch für die Eröffnungs- und Schlussfeier und vieles mehr. Hinzu kommen die Kosten für den Auf- und Abbau sämtlicher temporärer Wettkampfstätten und auch die Sicherheitskosten innerhalb der Sportstätten.
Finanziert wird das Organisations-Budget zum einen durch einen Zuschuss des IOC in Höhe von voraussichtlich 1,7 Mrd. US-Dollar, zum anderen durch nationale Sponsoring-Einnahmen und den Verkauf von Eintrittskarten und Merchandising-Artikeln. Bei allen Spielen der letzten Jahrzehnte wurden hier keine Verluste, sondern mindestens eine schwarze Null, meist sogar Gewinne erzielt, die übrigens zu 60 Prozent dem Sport der Ausrichterstadt zugutekommen und zu je 20 Prozent dem DOSB und dem IOC, ebenfalls für Zwecke des gemeinnützigen Sports.
Erstaunlich ist, dass dieses Budget in den Kontroversen der letzten Wochen keinerlei Rolle spielt, nicht einmal zur Kenntnis genommen wird – wohl deswegen, weil es nicht problematisch, da gedeckt ist. Aber festzuhalten ist, dass hier fast dreieinhalb Mrd. Euro in die Stadt und Region kommen, und das ohne einen Steuercent. Die reine Durchführung der Spiele ist kostenneutral. Diesen Teil der Wahrheit darf man nicht ausblenden.
Leidenschaftlich diskutiert wird dagegen der zweite Kostenblock, der die Investitionskosten enthält, und zwar sowohl die allein durch Olympia ausgelösten als auch diejenigen, die ohnehin geplant sind und nur vorgezogen werden. Dieses Investitions-Budget deckt die Kosten aller langfristigen Investitionen für neue oder sanierte Sport- und Trainingsstätten in Hamburg und Kiel, die Erschließung der künftigen „Olympic City“ mit dem Olympiastadion, der Olympiahalle und dem Schwimmstadion, ferner für die Verbesserung des öffentlichen Verkehrssystems und neue Radwege, aber auch für die Verlagerung der Hafenbetriebe vom Kleinen Grasbrook auf andere Standorte im Hafen.
Hier hat die Freie und Hansestadt Hamburg Gesamtkosten in Höhe von 7,4 Mrd. Euro errechnet, von denen voraussichtliche Einnahmen durch Erlöse aus dem Verkauf der Flächen und Einrichtungen des Olympischen Dorfes bereits abgezogen sind. Aufgerüttelt durch die Kostenexplosion beim Bau der Elbphilharmonie hat Bürgermeister Scholz ausdrücklich verfügt, dass diesmal von vornherein sorgfältig und auskömmlich geplant wird, schon mit den für 2024 zu erwartenden Preisen und unter Berücksichtigung aller möglichen Risiken. Entsprechend hat Hamburg in einem 110seitigen Finanzreport fast 700 Projekte gelistet, bewertet, berechnet und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Was bekommt Hamburg, was bekommen die Region und Deutschland dafür? Zum einen ein wunderbares (Sport-) Fest, das die Stimmung im ganzen Land heben kann und das Hamburg und Deutschland auf Jahre ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit rückt. Wir haben während des „Sommermärchens“ 2006 gespürt, was ein solches Fest ausrichten kann. Und wir haben zuletzt 2012 in London gesehen, wie es eine Nation zusammenschweißen, sie integrieren kann. Hamburg, das Tor zur Welt, kann zum Tor für die Welt werden, einer internationalen Metropole.
Aber Hamburg bekommt noch viel mehr. Die Stadt erhält einen ganz neuen Stadtteil mit 8.000 Wohnungen, und das mitten in der City, wo heute Autos auf Schiffe verladen werden. Der wird nach neuesten Standards entwickelt – nicht nur ökologisch vorbildlich und energieeffizient, sondern auch vollständig inklusiv. Die Verkehrsinfrastruktur wird darauf abgestellt. Hamburg schafft den lang ersehnten Sprung über die Elbe, erhält zusätzlichen attraktiven Wohnraum. Das ist ein Jahrhundertprojekt, von dem Hamburg lange zehren wird.
Gewiss, man könnte ein solches Projekt auch ohne die Spiele entwickeln. Nur: Es würde nicht passieren. Die Spiele wirken wie ein Katalysator, der eine solch weitgehende Maßnahme erst ermöglicht; ohne ihn würde der Konjunktiv nicht zum Indikativ. Die Hafenwirtschaft würde die Fläche auf dem Kleinen Grasbrook nicht freimachen, das Geld für die Investitionen wäre nicht da. Und vor allem: Es gäbe keinen vorgegebenen Zeitdruck, den ein Großprojekt wie dieses fürs Gelingen braucht.
Ein solches Vermächtnis ist für das IOC prioritär. Die vor Jahresfrist beschlossene Olympische Agenda 2020 hat die Nachhaltigkeit endlich zur unverrückbaren Säule für Olympia gemacht: Die Spiele dürfen keine „weißen Elefanten“ hinterlassen, die in Wirklichkeit niemand braucht, sondern sie sollen ein olympisches Erbe schaffen, das für Ausrichterstadt und -land langfristig nützlich ist, das den dort lebenden Menschen dient. Auch bislang gibt es dafür schon gute Beispiele – so etwa München, das die Spiele von 1972 bis heute geprägt und erst zur „Weltstadt mit Herz“ gemacht haben. Oder London, das im Osten der Stadt ein herunter gekommenes Quartier in die Stadt zurückgeholt hat. Oder Barcelona, das sich zum Meer geöffnet hat.
Diese und andere Beispiele zeigen: Die Investitionen in die Stadtentwicklung, in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, in die Sportanlagen kann man nicht in 17 plus 12 Tagen abschreiben. Sie bringen dauerhaften Gewinn. Darum lohnt es sich, dieses Zukunftsprojekt anzugehen und sich darum zu bewerben, Sportlerinnen und Sportler aus 206 Nationen nach Deutschland zu Olympischen und Paralympischen Spielen einladen zu dürfen.
(Quelle: Hamburger Abendblatt)
Olympiabegeisterung in Hamburg. Über 10.000 Hamburgerinnen und Hamburger formen im Stadtpark die Olympischen Ringe. Foto: Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024/Witters