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Interview: Die Stimmen der Trainer

Bevor für Idriss Gonschinska, Cheftrainer der deutschen Leichtathleten, und Valentin Altenburg, Bundestrainer der Hockey-Herren, die Olympischen Spiele in Rio begannen, stellten sie sich den Fragen der Öffentlichkeit.

Autor: DOSB
6 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 26. Dezember 2016

Bevor für Idriss Gonschinska, Cheftrainer der deutschen Leichtathleten, und Valentin Altenburg, Bundestrainer der Hockey-Herren, die Olympischen Spiele in Rio begannen, stellten sie sich den Fragen der Öffentlichkeit.

Für ihn war es ein Debüt – und dass es mit Bronzeglanz enden würde, wusste er noch nicht: Erst acht Monate zuvor hatte der 35 Jahre alte Valentin Altenburg die Aufgabe übernommen, die deutschen Hockeyspieler möglichst zur Olympiamedaille zu führen, als Nachfolger von Bundestrainer Markus Weise, der dreimal Gold gewann – einmal mit den Frauen, zweimal mit den Männern – und Ende vorigen Jahres zum Deutschen Fußball-Bund wechselte.

Der überraschende Schritt mitten in der Olympiavorbereitung hielt den Deutschen Hockey-Bund nicht davon ab, an seinem Konzept festhalten und den bislang jüngsten Nationalcoach zu berufen.

VALETIN ALTENBURG: Wir haben immer die Aufgabe, Gold zu gewinnen. Aber das funktioniert nicht so einfach, wie es immer aussieht. Unsere Aufgabe ist es, die Spieler systematisch von der Junioren-Nationalmannschaft in die Herren-Nationalmannschaft zu entwickeln. Anders als bei anderen Sportarten sind das im Hockey 100 Prozent. Es gibt keine Nationalspieler bei uns, die nicht durch die Jugend-Nationalmannschaft gegangen sind. Genauso wollen wir es auch mit allen anderen Funktionsträgern machen. Mit Physiotherapeuten, mit Teammanagern, mit allen. Ich arbeite jetzt seit elf Jahren als Nachwuchsbundestrainer, ich habe mit der U-16-Nationalmannschaft angefangen, war jetzt drei Jahre Chef-Nachwuchsbundestrainer. Als dann klar war, dass Markus Weise zum Deutschen Fußball-Bund geht, haben wir wieder den Weg eingeschlagen, mit dem wir in der Vergangenheit eigentlich immer ganz gut gefahren sind.

Olympia ist nie Routine. Doch Idriss Gonschinska, Diplom-Sport-wissenschaftler aus Leipzig, ist ein erfahrener Trainer. Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeitet er für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), zunächst zuständig für den Hürdensprint Frauen und Männer, dann als Bundestrainer für Sprint und Lauf und seit 2012 als Chef der Bundestrainer im DLV. Eine typische Laufbahn für den Verband?

IDRISS GONSCHINSKA: Wir haben im DLV in der Interaktion mit anderen Sportarten – ich kenne Markus Weise sehr gut – vieles übernommen. Denn wir wollen in den nächsten Jahren nicht nur versuchen, sportliche Talente zu scouten und zu fördern, sondern auch talentierte Trainer zu etablieren. Das müssen nicht unbedingt die erfolgreichsten Sportler gewesen sein. Bei uns ist es durchaus der logische Weg, dass einer über die Vereinserfahrung auf der Landesebene auch als Bundestrainer arbeitet und dann Cheftrainer wird. Das ist ein fast schon klassischer Weg, den ich da gewählt habe. Da hat vieles gut funktioniert. Insofern sehe ich gar nicht so viele Differenzen.

Und doch wirken die Rollen sehr unterschiedlich. Ist ein Cheftrainer nicht auch Chef der Trainer?

GONSCHINSKA: Ich bin der Partner der Trainer. Das heißt in einer Individualsportart, den Teamgedanken, den beispielsweise die Hockeyspieler sehr stark vorleben, auch in der Trainerschaft zu etablieren. Wir haben in den letzten Jahren damit viel Erfolg gehabt. Es geht um Teambildung, um Einstimmung der Mannschaft, um Interaktion der Trainer mit den Spezialtrainern, also um Strategien des Teamcoachings hier im Laufe der Wettkämp-fe für die individuellen Bedingungen und Notwendigkeiten der Athleten. Es geht darum, die Ergebnisse in den einzelnen Disziplinen zu analysieren, um die Strategien für die nächsten Tage zu entwickeln.

Beide Hockeymannschaften schafften die Qualifikation für Rio. Arbeiten die beiden Bundestrainer bei einem solchen Turnier eng zusammen oder ist jeder für seinen Bereich zuständig?

ALTENBURG: Beides. Wir haben einen sehr engen Austausch, aber jeder ist für seine Mannschaft allein verantwortlich, da wird nicht groß hereingequatscht. Seit gar nicht so langer Zeit gibt es auch bei uns ein Umdenken, dass die Trainer viel mehr zusammenarbeiten. Auch in einer Mannschaftssportart sind die Athleten krasse Einzelkämpfer. Ich glaube, dass wir sportartübergreifend und disziplinübergreifend noch viel mehr machen können. Was Idriss Gonschinska zur Teamführung erzählt, finde ich spannend. Auch wir versuchen, uns in den Trainerteams eng abzustimmen und auszutauschen, gegenseitig Feedback einzuholen. Aber am Ende des Tages ist jeder für seine Mannschaft verantwortlich.

Als Mitglied der Trainerkommission im DOSB kennt Idriss Gonschinska auch den Austausch auf anderen Ebenen. Wie groß ist der Einfluss der Trainer, auch etwas für den eigenen Berufsstand bewegen zu können?

GONSCHINSKA: Es ist spannend, in solch einer Kommission mitzuarbeiten, weil man ganz viel Wissen, Know-how und Strategien auch anderer Sportarten vermittelt bekommt beim Austausch zwischen den Trainern. Das ist ein Riesenpotenzial in Deutschland. Ich habe dabei viel gelernt. Aber es geht auch darum, die Position der Trainer im Leistungssport zu etablieren, das Berufsbild des Trainers erst einmal zu festigen. Perspektivischer Erfolg bedarf innovativer, breit aufgestellter und motivierter, begeisterter Trainer. Leistungsentwicklung wünschen wir uns immer. Doch Prognosen, wie ein Spiel ausgeht, wie das Ergebnis ist, funktionieren im Sport nicht. Der Ausgang ist offen. Das heißt auch, dass wir zwar Entwicklungen erwarten können, aber keine Linearität in den Erfolgsbilanzen von Trainern.

Ist die Leistungssportreform eine Chance, auch die Trainer zu positionieren?

GONSCHINSKA: Wenn sie seriös umgesetzt wird, dann bedarf es eines Berufsbildes des Trainers. Dann bedarf es Perspektiven, und dann bedarf es auch einer Optimierung der Rahmenbedingungen für Trainer. Es ist wichtig, dass wir Entscheidungen in Richtung der Athleten entwickeln. Aber die Stimme des Trainers bedarf mehr Gehör.

Es gibt also einiges zu tun, es gibt vieles zu lösen. Warum ist es denn trotzdem so toll, Trainer zu sein?

ALTENBURG: Ich finde, der Beruf Trainer ist aus ganz verschiedenen Sichten Weltklasse. Zum einen muss man ganz viel entscheiden, jeden Tag auf und neben dem Spielfeld. Es ist also eine große Führungsaufgabe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mal langweilig wird. Es ist ein Berufsbild, das unglaublich viele Kompetenzen erfordert, die man am Anfang auch gar nicht alle mitbringen kann. Die muss man schrittweise erlernen. Auch über Fehler, die man macht. Auch über Misserfolge, die man erleidet. Ich gebe Idriss Gonschinska völlig recht: Wir können nicht immer nur von Ergebnissen ausgehen. Es ist wichtig, dass auch die Trainer, die unsere Topathleten begleiten, jemanden haben, der sie begleitet. Jemanden, der auch erlebt und einschätzen kann, was da geleistet oder auch nicht geleistet wird. Statt immer nur auf das nackte Ergebnis zu gucken, auf das wir nicht zu 100 Prozent Einfluss haben. Was die Arbeit des Trainers besonders befriedigend macht, ist die Zusammenarbeit mit den Athleten. Ich habe 32-jährige Väter und 18-jährige Abiturienten, die in einem Apartment zusammenleben und nicht nur die unterschiedlichste Musik hören, sondern auch sonst ganz unterschiedlich an ihr Leben herangehen. Es kommen auf den Trainer auch in der Beziehungsarbeit unglaublich verschiedene Aufgaben zu. Mich motiviert das jeden Tag neu, die Fehler, die ich dabei mache, möglichst zu reduzieren.

GONSCHINSKA: Es macht mir Spaß, Valentin zuzuhören. Ich kann es nicht besser sagen. Er hat die Vielfalt und die Facetten beschrieben. Ich finde eines speziell faszinierend: Es ist ein Privileg, mit besonderen Menschen zu arbeiten. Mit besonders talentierten, zum Teil mit besonderen Charakteren. Zum Teil schwierigen Typen, zum Teil verrückten Typen. Das Besondere zu fördern, das bedarf besonderer Interventionen, Strategien und Kommunikationsmodelle. Die mögen bei den einzelnen Athleten jeden Tag anders verlaufen. Das heißt, es ist ein sehr vielfältiger Beruf, einer der geprägt ist durch sehr viele sozialpädagogische Prozesse und nicht nur durch eine entsprechende Methodik. Das macht diesen Beruf aus. Auch die Emotionen, die Identifikation mit dem Team, von Begeisterung zu absoluter Enttäuschung bis zum Sich-Aufrappeln und dann Wieder-die-nächste-Strategie-Entwickeln. Es macht einfach viel Spaß. Ich kenne keinen Trainer aus dem Team, der nicht Lust hat, zu lernen und sich zu etablieren.

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(Quelle: Sportdeutschland 03/2016)

Valentin Altenburg (r.) gewann in Rio mit den Hockey-Herren Bronze.