Die Vorfreude ist groß, dass Baseball/Softball, Karate, Skateboard, Sportklettern und Surfen in Tokio 2020 olympisch werden. Überall? Nicht ganz.
Die Vorfreude ist groß, dass Baseball/Softball, Karate, Skateboard, Sportklettern und Surfen in Tokio 2020 olympisch werden. Überall? Nicht ganz.
Mancher Trendsport-Jünger sieht mit diesem Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) seine Freiheit bedroht. Überhaupt sind noch einige Fragen offen.
Es ist ein bunt gemischtes Grüppchen, das sich da unter dem verbindenden Zeichen der Ringe zusammengefunden hat. Die Baseballer und Softballerinnen waren schon mal dabei und nehmen die Rückkehr nach zwölf Jahren olympischer Abstinenz weltweit eher gelassen hin. In Deutschland, wo der Sport gerade erst im Aufschwung ist, sind sie dagegen „unglaublich froh über den Vorschlag“. So sagt Max Schmitz, Pitcher beim Bundesliga-Tabellenführer Bonn Capitals und einer der Sprecher der Nationalmannschaft. Nun gelte es auch, „all das, was Olympia uns ermöglicht“, zu nutzen, um das Programm im Verband zu stärken. „Wir haben noch so viel Potenzial.“
Für Karateka geht ein Traum in Erfüllung
Die Karateka, dreimal ganz knapp vor der Aufnahme gescheitert, genießen in stiller Freude den Lohn der Mühe. „Ein großer Traum geht in Erfüllung“, sagte stellvertretend der fünfmalige Europameister und World-Games-Sieger Jonathan Horne. Karate sei nun mal „eine attraktive, coole Sportart, die endlich ins Programm gehört“. Und dann gibt es noch die drei anderen, die aus der Rolle fallen, auf unterschiedliche Weise, aber den Spielen einen schrillen, jugendlich frischen Anstrich verpassen würden: Sportklettern, Surfen und Skateboarden.
Vermittler zwischen zwei Welten
„Olympia braucht Skateboard – aber Skateboard braucht Olympia nicht.“ So hat es Titus Dittmann auf den Punkt gebracht, Pionier der deutschen Szene, der mit seinen 67 Jahren immer noch eine ansteckende Jugendlichkeit ausstrahlt. Als Studienreferendar entdeckte er in den siebziger Jahren das exotische Rollbrett für den Sportunterricht, belächelt und oft angefeindet. Er gründete ein Skateboard-Unternehmen, das europäischer Marktführer wurde, und fördert den Sport auch über eine Stiftung. Und nun vermittelt er zwischen zwei Welten.
Dittmann hat sich zu dieser Rolle überreden lassen. Als World-Chairman des Weltverbandes für Rollersport findet er, man müsse versuchen, das Beste für die Skateboard-Kultur herauszuholen. Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz für einen, der ausdauernd und gegen allerhand Widerstand eine Jugendbewegung gesellschaftsfähig gemacht hat, die sehr viel Wert legt auf Zwanglosigkeit und Freiheit. Wie passt das zusammen?
Ihm sei wichtig, dass bei Olympia Menschen entscheiden, die etwas davon verstehen, sagt Dittmann. Zudem möchte er eine Spaltung der Szene wie bei den Snowboardern verhindern und ein harmonisches Zusammenleben „zwischen dem olympischen Gedanken und dem Skateboard-Urgedanken“ herzustellen: Dass Skateboarden nämlich eine klassische selbstbestimmte Sportart sei, die man gemeinsam aus eigenem Antrieb heraus betreibe. Ohne Trainer. Man lernt am Modell. Wenn einer besser ist, gucken die anderen es ihm ab und eifern ihm nach, der Wettkampf spielt dabei erst einmal keine Rolle. Nicht dass er fremdorganisierte Sportarten wie, sagen wir, Fußball für schlecht hielte. Aber für Dittmann ist die pädagogische Wirkung der Eigeninitiative „erheblich besser für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen“.
Wie das unter das Dach eines Verbandes passen könnte, ist auch dem Deutschen Rollsport- und Inline-Verband (DRIV) noch nicht recht klar. Seit Jahren bemühe man sich, Skateboarden zu integrieren, sagt Sportdirektor Helmut Hilsenbeck. Im März hat der Verband den zweiten Versuch gestartet, eine Sportkommission einzurichten. Vorsitzender ist ein weiterer Pionier, der Berliner Hans-Jürgen Kuhn, der 1977 den 1. Berliner Skateboard Verein gründete.
Die große Freiheit auf Brettern
So weit sind die Surfer noch nicht, die mit ihren Brettern auf Brandungswellen die große Freiheit suchen. Es gibt zwar einen eigenen Deutschen Wellenreit Verband, der sich als nationales Dach für Surfvereine und surfbegeisterte Einzelmitglieder sieht und „die offiziellen Deutschen Meisterschaften“ organisiert. Doch er bemüht sich gerade erst darum, Mitglied im DOSB zu werden. Und auch wenn die Profiszene schnurstracks Richtung Olympia reitet – nicht jeder Surfer kann sich damit anfreunden. „Dann ist das Mysteriöse des Sports dahin“, befürchtet ein Blogger.
Das dritte bunte Völkchen in diesem Quintett sind die Wettkampfkletterer. Aus dem Bergsteigen entstanden werden ihre Disziplinen immer schon vertreten vom Deutschen Alpenverein. Da habe sich über die Jahre der extreme Szenecharakter gemildert, sagt Hauptgeschäftsführer Olaf Tabor. Insofern bewege sich Sportklettern unter den fünf Kandidaten auf einem Mittelweg.
Klettern - spektakulär wie Beachvolleyball
In seiner Inszenierung an künstlichen Felsen und in dieser Mischung aus leicht verständlichem Sport und Show, untermalt mit Musik, sei es vergleichbar mit Beachvolleyball, sagt er. „Keine Orchidee mehr, die im Verborgenen blüht“, sondern ein spektakulärer und mittlerweile publikumswirksamer Sport, der gut zu den Spielen passe. Und dessen Hauptdarsteller längst keine Freaks mehr seien, sondern Hochleistungsathleten, die diszipliniert und hart arbeiten müssen, um Weltklasse zu sein.
Olympia kann sich auf bunten Zuwachs freuen.
(Quelle: Sportdeutschland - Das Magazin)
Zwanglose Freiheit: Für Skateboarder ist Olympia ein Spagat zwischen selbstbestimmtem Sport und fremdbestimmtem Wettbewerb