Der Doppel-Olympiasieger auf der Kanustrecke von Rio und „Champion des Jahres 2015“ über Motivation, Sportförderung und die Herausforderungen des Alltags.
Der Doppel-Olympiasieger auf der Kanustrecke von Rio und „Champion des Jahres 2015“ über Motivation, Sportförderung und die Herausforderungen des Alltags.
Sebastian Brendel ist einer von rund rund 100 Athleten, die vorigen Sonntag (25. September) zum „Champion des Jahres“, der Event-Woche für Deutschlands beste Athleten eines Jahres, aufbrechen. Vor der Abreise hat der Potsdamer Kanute, 2015 von den sporthilfegeförderten Athleten zum „Champion des Jahres“ gewählt, Rede und Antwort gestanden.
Zwei Jahrzehnte knieend im Canadier – ist in der ganzen Zeit nie Lust auf was Neues aufgekommen?
SEBASTIAN BRENDEL: Da die letzten Jahre im Canadier so gut liefen, habe ich mir darüber in der Vergangenheit nicht viele Gedanken gemacht. Es gibt aber natürlich Sportarten, die mich durchaus reizen und die ich auch gerne mal probieren würde. In der Olympiavorbereitung hat mir da immer die Zeit gefehlt.
Was treibt einen noch an, wenn man Olympiasieger, Welt,- und Europameister geworden ist?
Die Frage habe ich mir auch schon des Öfteren gestellt. In einem sportlich fairen Wettkampf zu gewinnen, ist einfach ein tolles Gefühl. Der Moment, in dem man die Medaille um den Hals gehängt bekommt und eventuell noch die Nationalhymne gespielt wird, ist Belohnung für die vielen Trainingsstunden. Sich immer wieder zu beweisen, der Beste in seiner Sportart zu sein, ist mein Antrieb.
Die Gefahr, dass Du Dich zu sicher fühlen und Dich nicht mehr quälen könntest, hat augenscheinlich nie bestanden?
In Potsdam haben wir eine Trainingsgruppe mit sehr hohem Niveau. Wir pushen uns dort gegenseitig und so wird die eine oder andere Einheit auch mal zum internen Wettkampf.
Vor einem Jahr bist Du von anderen Weltklasse-Athleten zum „Champion des Jahres“ gewählt worden – welche Bedeutung hat diese Auszeichnung in der großen Titel- und Medaillen-Sammlung?
Die Woche beim Champion des Jahres allein ist schon etwas ganz besonderes und eine tolle Auszeichnung für uns Sportler. Am Ende der Woche die Wahl zu gewinnen, ist wie ein Ritterschlag. Entscheidend für mich dabei ist, dass der Champion von Sportlern gewählt wird, die alle auf dem gleichen Niveau sind und so erbrachte Leistungen sehr gut einschätzen und nachvollziehen können.
Ist das Gefühl von Olympia in Rio wieder so gewesen wie erwartet oder erhofft?
Olympische Spiele sind immer etwas ganz besonderes. Nach den Spielen in London waren die Erwartungen bzw. Maßstäbe natürlich ziemlich hoch, aber wenn man mit zwei Gold-medaillen nach Hause fährt, dann behält man vor allem die schönen Dinge. Auch wenn nicht immer alles toll war, wie etwa das Ausbuhen der Sportler anderer Nationen, so waren es dennoch gelungene Spiele. Das eine waren europäische Spiele und in Rio eben südamerikanische, und beide hatten ihre eigenen Reize.
Doppel-Gold im Einer und im Zweier, unterscheidest Du diese Rennen oder zählt am Ende jeder Sieg gleich?
Die Medaillen sind natürlich beide Gold, trotzdem gibt es einen Unterschied. Der Einer ist das, was ich unbedingt wollte, worauf ich mich die letzten Jahre zu 100 Prozent konzentriert habe. Dementsprechend hoch waren natürlich auch der Druck und die Erwartung an mich. Der Einer ist für mich die Königsdisziplin. Da der C2 ganz kurzfristig zustande gekommen ist und wir in Rio erst unseren zweiten Wettkampf hatten, war es auch für uns schwer einzuschätzen, was wir wirklich drauf haben. Dass es zu Gold reicht, hätten wir nie im Leben gedacht. Umso schöner war es dann natürlich, in Rio noch mal ganz oben auf dem Treppchen stehen zu können.
Schauen wir noch mal kurz auf einen Umstand, der Dich sehr geärgert hat – was Du auch auf facebook ganz deutlich gemacht hast: der Dopingfall des ursprünglich Drittplatzierten im Canadier-Einer. Was bedeuten solche Vorfälle für Kanu, aber auch für den Spitzensport insgesamt?
Doping schadet nicht nur den Sportlern, sondern auch dem Sport insgesamt. Im Vorfeld gab es ja kaum einen Tag, wo das Thema Doping im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen nicht erwähnt wurde. Der Sport verliert dadurch seine Glaubwürdigkeit, was dann natürlich auch auf die Sportler zurückfällt, die sauber sind und mit Doping nichts am Hut haben. Spitzenleistungen werden immer häufiger in Frage gestellt und die Anerkennung schwindet dahin.
Ist die Abschreckung für mögliche Doper groß genug?
Anscheinend nicht.
Du bist als Familienvater zumindest im engen Umfeld ein Vorbild – siehst Du Dich als Beispiel oder gar Idol für einen größeren Kreis?
Ich bin stolz darauf, als Vorbild wahrgenommen zu werden. Ob man es will oder nicht, als Sportler, der Deutschland bei den Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften repräsentiert, hat man eine Vorbildfunktion. Ich finde es schön, wenn wir durch unsere Leistung und unser Auftreten junge Menschen motivieren können, sich auch zu bewegen und sportlich aktiv zu werden.
Hat es Vorbilder für Dich gegeben, gibt es sie vielleicht immer noch?
Vorbilder vielleicht nicht im klassischen Sinn. Aber wenn ich jetzt zurück blicke, hat Andreas Dittmer durch seine Einstellung im Training dazu beigetragen, dass ich ein so hohes Niveau erreicht habe. Als ich mit dem Sport angefangen habe, war Andreas Dittmer der beste Canadierfahrer. Die Trainer haben davon geschwärmt, wie fleißig er im Training ist und dass er sehr viel Grundlagentraining hat und so sein Weltklasseniveau über viele Jahre halten konnte. Dass es zum Erfolg keinen Lift gibt, sondern viel Trainingsfleiß erfordert, das hat sich bei mir eingeprägt. Heute sagen viele Trainer ihren Sportlern über mich, was sie mir früher von Andreas Dittmer erzählt haben.
Du investierst viel Zeit, versuchst alles rauszuholen – wer und was war und ist alles wichtig auf dem Weg zum Erfolg?
Es ist schwer zu sagen, das ist wichtig und das nicht. Als Sportler muss man immer wieder Hürden überwinden und auch lernen mit Niederlagen umzugehen. Man kann es, glaube ich, zusammenfassen und sagen, dass sowohl das sportliche, als auch das familiäre Umfeld stimmen muss.
Wenn man einmal ganz oben auf dem Podest stand, möchte man dieses Gefühl sicher immer wieder erleben. Du bist jetzt 28 Jahre alt. Hast Du schon daran gedacht, wo Du Deine besonderen Herausforderungen und Erfolgsmomente nach der Kanu-Karriere suchst? Man kann sich kaum vorstellen, dass einem wie Dir der Alltag reicht?
Nach dem Sport werde ich die Erfolgsmomente meiner Kinder genießen, die nicht unbedingt im Sport sein müssen. Auch im ganz normalen Alltag wird es für sie immer wieder neue Dinge zu entdecken und zu meistern geben, an denen wir uns dann gemeinsam erfreuen können.
Als Bundespolizist hast Du eine gute Förderung – wie siehst Du das Thema Athleten-Unterstützung insgesamt, das ist ja während Rio immer wieder diskutiert worden und beschäftigt viele auch weiter?
Die Sportförderung ist ein sehr komplexes System. Erfolge werden nicht nur durch ehrgeizige Sportler geholt. Auch ein solcher Athlet braucht ein gut funktionierendes Umfeld und das reicht vom Trainer über den Bootsbauer bis zum Physiotherapeuten. Nicht zu vergessen sind die Übungsleiter und ehrenamtlichen Helfer, die im Nachwuchsbereich die Grundlagen legen und ohne deren Einsatzbereitschaft der Sport in Deutschland nicht funktioniert. Das sind alles wichtige Säulen im System, und wenn eine davon wegbricht, dann funktioniert das große Ganze nicht mehr. Soll heißen, auch hier muss es genügend Unterstützung geben, denn Sport hat eine wichtige gesellschaftliche Funktion.
(Quelle: Deutsche Sporthilfe)
Sebastian Brendel gewann in Rio zweimal Gold. Foto: picture-alliance