Mit einer grandiosen Vorstellung hat Jessica von Bredow-Werndl in Versailles wie schon 2021 in Tokio olympisches Gold im Dressur-Einzel gewonnen. Auch Silber ging nach Deutschland.
"Sie hat mal wieder ihr Herz für mich da draußen gelassen"
Sie lachte, sie weinte, sie wollte ihre Dalera gar nicht mehr loslassen und landete am Ende völlig aufgelöst in den Armen ihres Ehemannes: Jessica von Bredow-Werndl hat in Versailles ihr zweites olympisches Gold im Einzel geholt. Ihre 90,093 Prozentpunkte in der Kür waren nicht zu schlagen, hinter ihr machte Rekord-Olympionikin Isabell Werth mit der erst zehnjährigen Wendy den deutschen Doppelsieg perfekt und erhöhte ihre beeindruckende Medaillenbilanz auf 14.
"Sie hat mal wieder ihr Herz für mich da draußen gelassen", sagte Jessica von Bredow-Werndl, noch immer mit den Tränen kämpfend, am ARD-Mikrofon: "Es geht immer um Vertrauen, sie hat mir vertraut, ich habe ihr vertraut, und ich bin ihr so unfassbar dankbar." Auch Werth sei "einfach unglaublich, sie ist schon die erfolgreichste deutsche Olympionikin und hat heute nochmal einen draufgesetzt".
Die so Gelobte war mit sich und der ganzen Welt im Reinen. "Hier zu sein und mit Gold und Silber nach Hause zu fahren, sprengt meine Erwartung ohne Frage", sagte Werth: "Ich wäre mit jeder Einzelmedaille hier glücklich gewesen, denn es war nicht zu erwarten, dass wir uns so schnell dorthin entwickeln können. Es ist einfach unglaublich." Dritte wurde Weltmeisterin Charlotte Fry (Großbritannien) mit Glamourdale.
Von Bredow-Werndls Kür zu Chansons der französischen Legende Edith Piaf hatten die Reitfans schon Monate vor den Spielen als eines der ganz großen Highlights herbeigesehnt. Vor der Märchenkulisse von Schloss Versailles zeigte die 38-Jährige mit Dalera jenen Tanz, den sie seit über einem Jahr für genau diesen Moment einstudiert hatte. Ihr Ergebnis von 90,093 Prozentpunkten reichte aus, die Tränen wollten danach überhaupt nicht mehr versiegen.
Galionsfigur Werth zeigte einmal mehr all ihre Klasse, mit ihrem jungen Superstar Wendy bildete sie ein Weltklasse-Duo. Dabei starteten die beiden in ihrer erst dritten gemeinsamen Kür. Nach ihrem imposanten Sieg beim CHIO in Aachen lieferten sie zu Barry Manilows Klassiker "Mandy", umgetextet auf "Wendy", die nächste Wahnsinns-Show ab, die die Richter mit 89,614 Prozentpunkten belohnten.
Doch auch die Choreografien der Konkurrenz unterhielten die rund 16.000 Zuschauer bestens. Die Däninnen Nanna Skodborg Merrald mit Zepter und Cathrine Laudrup-Dufour mit Freestyle sowie Lottie Fry mit ihrem nachtschwarzen Superstar Glamourdale boten bestes Entertainment.
Dennoch erlebten die deutschen Reiterinnen einen entspannteren Arbeitstag als noch bei ihrem gemeinsamen Sieg mit der Mannschaft. Werths Rekordjagd im Special hatte sie vor eine echte Nervenprobe gestellt. Von Bredow-Werndl, im Mannschaftswettbewerb noch Werths Mitstreiterin, verpatzte ihren Ritt. Gold schien zwischenzeitlich unerreichbar, Werth und Frederic Wandres flüchteten gar schon vor der Verkündung des Ergebnisses aus der Arena.
"Wir hatten uns eigentlich schon mit der Silbermedaille angefreundet", beichtete Wandres. Doch die imposante Schlusslinie der Weltranglistenersten von Bredow-Werndl hatte gerade noch so ihren Auftritt und Werths historisches Gold gerettet.
Auch "JBW" sammelte fleißig weiter olympische Erfolge. Zweimal Gold in Tokio 2021, Gold mit dem Team und im Einzel von Paris. Fraglich bleibt, was nach der bereits 17-jährigen Dalera kommt, ein ähnliches Erfolgspferd scheint derzeit nicht im Stall in Aubenhausen zu stehen.
Mannschafts-Olympiasieger Wandres, der den Abschluss seiner Olympia-Premiere einfach nur genießen wollte, wurde 13. - und hatte schon nach seinem Ritt so eine Vorahnung, was die Medaillenplätze anging. "Mein Tipp für eine Medaille ist Isabell, Dufour", sagte Wandres und fügte nach einer kurzen Pause an: "Und eine noch." Mit Dufour lag er falsch, "die eine noch" heißt Jessica von Bredow-Werndl und holte Gold.