Mit Spannung, aber auch einer Portion Optimismus sieht das deutsche Aufgebot der finalen Nachqualifikation für die Olympischen Spiele und der parallelen Qualifikation zu den Paralympics entgegen.
In sechs olympischen Klassen will der DRV die Chance nutzen, die Zahl von bisher sechs Booten in Paris noch zu erhöhen. „Zwei plus x“ ist das Ziel für das verlängerte Pfingstwochenende von Sonntag bis Dienstag (19. bis 21. Mai) auf dem Luzerner Rotsee. Für die Paras gibt es die Möglichkeit, auch die fünfte Paralympics-Wettkampfklasse noch mit einem DRV-Boot zu besetzen. Pro Bootsklasse können jeweils nur die beiden Erstplatzierten jubeln, in den beiden olympischen Einern wird sich auch noch ein drittes Boot qualifizieren. Insgesamt bewerben sich 183 Mannschaften um die verbliebenen 37 Startplätze (30 olympische und sieben paralympische).
Thema Gemeinsamkeit großgeschrieben
Beim zehntägigen Kurzlehrgang in Ratzeburg zur Vorbereitung wurde das Thema Gemeinsamkeit ganz großgeschrieben. „Alle Bootsklassen, auch die Paras, sind gemeinsam Belastungen gefahren und am Sonntag auch das Relationsrennen über 2000 Meter. Dass alle zusammengearbeitet haben, war für mich sehr positiv“, sagt Cheftrainerin Brigitte Bielig. Dass die Bedingungen teilweise schwierig gewesen seien und es auch Gegenwind gab, empfand sie als gar nicht so verkehrt. Wichtig war in Ratzeburg auch das Thema, sich mental für die Drucksituation in Luzern zu wappnen. „Beim Hinterherfahren nicht die Nerven zu verlieren, auch das kann man in Relationsrennen üben“, sagt Bielig.
Leerkamp/Rommelmann überzeugen
Die beste Leistung in den Relationsrennen ruderte der leichte Doppelzweier der Männer mit Paul Leerkamp und Jonathan Rommelmann, der nach den Umbesetzungen in den letzten Wochen nun also mit einem Gefühl der Stärke nach Luzern reisen kann. Rommelmann ist auf Schlag gerückt, was dem Boot ebenso gut tut wie technischen Verbesserungen. Favoriten im Elf-Boote-Feld sind, falls sie die Form vergangener Tage erreichen, wohl die Franzosen Hugo Beurey und Ferdinand Ludwig. Den Europameistern von 2022 war im letzten Jahr bei der WM ein schwaches Viertelfinale zum Verhängnis geworden. Griechenland und die USA sind unbekannte Größen, die es für Leerkamp und Rommelmann aber zu schlagen gilt, um beim Olympia-Halali der Leichtgewichte in Paris dabei zu sein.
Christ/Kruse wollen mitreden
13 Boote groß ist das Bewerber-Feld im Zweier ohne der Männer. Julius Christ und Sönke Kruse überlassen dem Varese-Dritten Dänemark und dem EM-Fünften Niederlande die Favoritenrolle, wollen aber in die Entscheidung um die beiden Quotenplätze eingreifen. Im Relationsrennen gegen den Doppelzweier in Ratzeburg hinterließen beide einen guten Eindruck.
Vierer ohne hat Ambitionen
Ambitionen hat sicherlich der ebenfalls in Dortmund geformte Vierer ohne mit Frederik Breuer, Malte Großmann, Kaspar Virnekäs und Schlagmann Jasper Angl, der letztes Jahr noch im Achter saß und dem Boot viel gibt. Klarer Favorit in Luzern ist Italien als Sieger des Weltcups von Varese und Rang zwei bei der EM. Auf den zweiten Startplatz für Paris kann sich das DRV-Boot aber Hoffnungen machen. Dazu müssen die Schweiz und die Ukraine wie schon beim Weltcup in Varese, als man Vierter wurde, in Schach gehalten werden. Dass der Vierer ohne in Ratzeburg die Belastung nicht fuhr, weil Großmann wegen eines Infekts geschont wurde, stellt kein größeres Problem dar.
Sarassa/Reif brauchen eine Topleistung
Sechs Boote klein ist das Feld im Zweier ohne der Frauen. Dennoch werden Lena Sarassa und Hannah Reif über sich hinauswachsen müssen, um einen der beiden Quotenplätze zu erreichen. Kroatien, Frankreich und Dänemark lagen im bisherigen Saisonverlauf stets vor den beiden Deutschen. In Ratzeburg gefielen beide auf den ersten 1000 Metern, zeigten aber in der zweiten Rennhälfte Schwächen.
Hundeling/Wibberenz sind gewappnet
Der Doppelzweier der Frauen hat Ambitionen und gute Chancen, ein Paris-Ticket zu errudern. Frauke Hundeling und Sarah Wibberenz deuteten mit dem dritten Platz beim Weltcup-Auftakt in Varese das Potenzial des Bootes an. Wer dürften im Sieben-Boote-Feld die Hauptkonkurrenten werden? Tschechien (EM-Vierter) hat sich in diesem Jahr stark verbessert, die Schweiz (EM-5.) und Großbritannien (EM-7.) sind nicht zu unterschätzen. Und dann ist da noch Südafrika, das bei der letzten Weltmeisterschaft als Zwölftplatzierter das stärkste, nicht für Olympia qualifizierte Boot war. So ist es möglich, dass es im Finale einen engen Ausgang gibt und auch die besseren Nerven entscheiden. Hundeling/Wibberenz werden sich dafür wappnen.
Frauen-Achter endlich in Plan-Besetzung
Rein rechnerisch ist die Chance für den Frauen-Achter gut, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren: Vier Großboote starten in Luzern und zwei werden es schaffen. Klarer Favorit ist Italien, das erstmals einen Achter zu Olympia bringen würde, und mit dem Weltcup-Sieg von Varese und dem dritten EM-Platz in Szeged die besten Vorleistungen zu Buche stehen hat. Das große Fragezeichen ist China, das im letzten Jahr bei der WM mit physischen Schwächen überrascht hatte und nur Siebter geworden war. Dänemark, den dritten Gegner, konnten die DRV-Frauen in Varese hinter sich lassen. In Ratzeburg waren die Umstände des Relationsrennens schwierig, weil der als Gegner geplante Männer-Vierer ausfiel und der eingesprungene Männer-Doppelvierer, der nur eine Vorbelastung für den Weltcup in Luzern fuhr, bei der Hälfte der Distanz ausstieg. Dennoch zeigte das Boot eine Steigerung gegenüber der enttäuschenden EM. Was mit Sicherheit an der Rückkehr von Melanie Göldner und Alyssa Meyer liegt, die bei der EM erkrankt ausgefallen waren. „Ich bin optimistisch, in Luzern sind zum ersten Mal alle gesund und im Boot“, sagt Brigitte Bielig.
Im Unterschied zu den über die WM qualifizierten Boote können die Besetzungen der bei der Nachquali erfolgreichen Boote nur im Krankheitsfall für Paris noch verändert werden.
Bier/Umbach wollen zu den Paralympics
Der PR2-Mixed-Doppelzweier mit Jasmina Bier und Paul Umbach holte bei seinem Debüt bei der EM zur allseitigen Überraschung gleich Silber. „Beide haben sich in Ratzeburg sehr gut vorbereitet. Sie hatten in den Relationsrennen sogar den zweitbesten Prozentwert hinter den leichten Männern. Das gibt natürlich Selbstvertrauen für Luzern. Die Paralympics-Quali ist das erklärte Ziel. Die Gegner werden uns es schwer machen, aber wir können mit breiter Brust an den Start gehen“, sagt Marc Stallberg, der Cheftrainer Para. Insgesamt sind acht Nationen am Start.
Der Zeitplan der drei Tage
Die Qualifikationsregatta auf dem Rotsee beginnt nach dem vorläufigen Zeitplan am Sonntag mit allen Vorläufen (9 Uhr), für den Zweier ohne steht eventuell bereits der Hoffnungslauf an (15 Uhr). Am Montag (9.24 Uhr) folgen weitere Hoffnungsläufe und Halbfinals. Am Dienstag werden zwischen 10.05 Uhr und 13.15 Uhr sämtliche A-Finals gefahren. Danach steht fest, wer seinen Paris-Traum verwirklichen konnte.
(Text: rudern.de)