Wieder Silber: Wie bei Olympia vor fünf Jahren verpasst das DEB-Team Gold bei der WM knapp - und schwankt zwischen Enttäuschung und Stolz.
Kurz nach der Schlusssirene, als die Kanadier ihnen gerade Gold weggeschnappt hatten, erinnerte Moritz Müller die deutschen Eishockey-Helden an ihre Abmachung. "Wir wollten ein Gefühl haben, dass wir uns nicht voneinander trennen wollen, und dass wir wollen, dass diese WM für immer weitergeht", berichtete der Kapitän von seinen Worten unmittelbar nach dem 2:5 im Endspiel gegen den Rekordweltmeister. Zumindest für ein paar Stunden verlängerten seine Teamkollegen - hin- und hergerissen zwischen Stolz und Enttäuschung über Silber - diese besondere Erfahrung noch.
In "Heidi's Bier Bar" in Tampere zwischen Kellnerinnen im Dirndl und deutschen Trinksprüchen an den Wänden ließen sie ein unglaubliches Turnier ausklingen, mit dem sie fünf Jahre nach der Olympia-Sensation wieder Eishockey-Geschichte geschrieben hatten. Als sie sich im Morgengrauen auf den Weg zu ihren Fliegern zurück in die Heimat machten, hatten sie sich längst auf ein schnelles Wiedersehen in einem Finale verständigt.
"Wir haben Silber gewonnen, aber wir wollen immer noch Gold holen", sagte NHL-Jungstar John-Jason Peterka, 21, mit sechs Toren und sechs Vorlagen bester deutscher Scorer und als bester Stürmer des Turniers ausgezeichnet, "das ist immer noch das Ziel." Und der zehn Jahre ältere Marcel Noebels, einer von vier verbliebenen Olympiazweiten von 2018, ergänzte: "Unsere Ziele werden größer und größer. Nächstes Jahr ist eine neue Chance."
Die erste deutsche WM-Medaille seit 70 Jahren soll kein Eishockey-Wunder bleiben, das sich ein, zweimal im Jahrhundert wiederholen könnte. Sie soll das neue Normal sein. "Wir müssen schauen, dass wir nicht immer nur temporäre Höhen haben, die Euphorie wieder da ist für einen Monat, und dann alles wieder wegschwappt", forderte Stanley-Cup-Sieger Nico Sturm, später Debütant mit 28 Jahren, "sondern auf Dauer Erfolg haben und um Medaillen mitspielen, auch wenn es nicht jedes Jahr eine gibt. Wir haben gerade eine richtig gute Generation an Spielern, die das schaffen werden."
Als der Großteil der Mannschaft mit Bundestrainer Harold Kreis am Montagmorgen um 7.35 Uhr in München übernächtigt landete, standen eine Blaskapelle, Brezeln und Bier bereit. Strahlend und mit den Medaillen um den Hals erfüllten Peterka und Co. im Konfettiregen die Autogramm- und Selfiewünsche der applaudierenden Fans. "Fantastisch, dass sich die Leute für uns Zeit nehmen", sagte Kreis dem SID.
Mit dem neuen Chefcoach, alten Anführern wie Müller und Noebels, aber auch neuen Leistungsträgern wie Sturm und Peterka hatte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) nach vielen Absagen und schwierigem Turnierstart die Fans in der Heimat mit sechs Siegen in Folge und dem ersten Endspieleinzug begeistert - und die offiziellen Ziele Viertelfinale und Olympia-Qualifikation deutlich übererfüllt.
"Wir haben gesagt, wir wollen Tampere mit einem leeren Tank verlassen", hatte Kreis gleich nach dem zehnten WM-Spiel in 16 Tagen erklärt, "das tun wir." Dass für gut zwei Wochen trotz der dramatischen Schlussphase in der Fußball-Bundesliga auch Eishockey im Fokus der deutschen Sportfans stand, machte den 64-Jährigen stolz: "Wenn wir bei diesem Turnier Jugendliche vor dem Fernseher hatten und die das ein oder andere Vorbild gefunden haben, dann haben wir was Gutes getan."
Es sei wichtig, "dass der Glaube an das deutsche Eishockey auch in Deutschland weiter wächst", betonte Müller, der den Geist von Olympia 2018 an eine neue Generation weitergegeben hat: "Hier in der Mannschaft ist der Glaube an uns selbst immer groß." So groß, dass die Zukunft nicht nur silbern sein soll.