Am Sonntag beginnen in der britischen Grafschaft Yorkshire (22. bis 29. September) die 86. Straßenrad-Weltmeisterschaften. Die deutsche Mannschaft um Routinier Tony Martin begleiten Hoffnungen, aber auch Unsicherheiten ins Vereinigte Königreich.
Euphorisch ist Tony Martin keineswegs, zum Schwarzmalen neigt der viermalige Zeitfahrweltmeister aber ebenso wenig. "Ich würde die deutschen Aussichten nicht als rosig bezeichnen, aber auch nicht als dunkel", sagte Martin mit Blick auf die am Sonntag beginnende Straßen-WM in der britischen Grafschaft Yorkshire. Neben Martins Sturzfolgen begleiten den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) auch einige andere Fragezeichen beim letzten Saisonhöhepunkt.
Ins Gewicht fällt vor allem der Ausfall von Maximilian Schachmann, der nach seinem Handbruch bei der Tour de France wegen eines zwischenzeitlichen Infekts nicht mehr fit wurde. Der 25-jährige Berliner wäre in Topform für die beiden Zeitfahren, aber vor allem auch für das Straßenrennen auf Klassikerterrain am 29. September ein heißer Tipp gewesen. Gerade das abschließende Highlight dürfte dem BDR Sorgen bereiten, denn auch die Verfassung von John Degenkolb ist nicht die beste. Bei der Vuelta blieb der frühere Roubaix-Sieger ohne herausragendes Ergebnis, für mehr als eine Top-10-Platzierung dürfte er kaum infrage kommen. Da zeigte sich noch eher Nils Politt (Köln) bei der Tour of Britain in ambitionierter Form. Für Pascal Ackermann (Kandel) ist das Profil des Rennens wohl zu schwer.
Martin ist froh, dieses letzte Highlight der Saison überhaupt erleben zu können. Nach dem heftigen Sturz bei der Spanien-Rundfahrt, bei dem er zwar eine hässliche Risswunde im Gesicht erlitt, aber ohne gebrochene Knochen oder eine Gehirnerschütterung davonkam, war nicht sofort davon auszugehen. Der 34 Jahre alte Routinier hat sich aber ausreichend erholt und kann schon am Sonntag im neuen Mixed-Wettbewerb antreten. "Die Verletzungen sind nicht so schwerwiegend, dass mein Start gefährdet wäre", ließ Martin ausrichten, nachdem er zur Wochenmitte mit Pflastern im Gesicht und einem Verband am rechten Arm wieder eine Trainingsfahrt absolviert hatte.
Gemeinsam mit Politt und dem Freiburger Jasha Sütterlin will der Lausitzer im Teamzeitfahren über insgesamt 28 km den Grundstein für die erste deutsche WM-Medaille 2019 legen, die die Allgäuerin Lisa Brennauer, die Saarländerin Lisa Klein und die Bielefelderin Mieke Kröger perfekt machen sollen. Das Mixed-Rennen löst das Zeitfahren der Profimannschaften ab, das von 2012 bis 2018 ausgetragen wurde. Der Auftaktwettbewerb bietet die wohl beste deutsche Medaillenchance, wenngleich Martin sich auch in seiner Paradedisziplin (25. September) konkurrenzfähig einschätzt. Die Strecke über 54 km sollte ihm eher entgegenkommen als jene bergigen der beiden Vorjahre in Innsbruck und Bergen. "Auf dem richtigen Kurs bin ich auch noch Weltspitze", sagt Martin, der zwischen 2011 und 2016 viermal triumphierte und in dieser Glanzzeit nahezu unschlagbar war.
Gute Erinnerungen an den Zielort Harrogate und die Umgebung hat Martin allein schon wegen des Tour-de-France-Auftakts 2014. "Das war grandios, das war an Zuschauern das Größte, was ich je gesehen habe. Wenn das wieder so kommt, dann wird es unvergesslich." Damals sprintete übrigens der kürzlich zurückgetretene Marcel Kittel ins Gelbe Trikot. Ein gutes Omen aus deutscher Sicht?
Neu ist der Auftaktwettbewerb. Erstmals findet bei der WM ein gemischtes Teamzeitfahren im Staffelformat statt. Über insgesamt 28 Kilometer verteilt auf zwei Runden a 14 Kilometer gehen pro Nation zunächst drei Männer und danach drei Frauen auf die Strecke. Für Deutschland starten mit guten Medaillenaussichten Tony Martin, Nils Politt und Jasha Sütterlin, in Runde zwei gehen Lisa Brennauer, Lisa Klein und Mieke Kröger auf den Kurs. Die Mixed-Staffel löst das Zeitfahren der Profimannschaften ab, das von 2012 bis 2018 ausgetragen wurde. Bei der EM im August siegten die Niederlande vor Deutschland.
Vor allem in den Zeitfahren ist einiges möglich. Nicht nur im Mixed-Rennen, auch in den Einzelzeitfahren der Frauen (Brennauer und Klein), Männer (Martin) und der Junioren (Marco Brenner) ist ein Platz auf dem Podium in Reichweite. Prognosen für die Straßenrennen fallen weitaus schwerer. Gerade beim abschließenden Highlight (29. September) der Profis über 285 Kilometer fehlt der deutschen Mannschaft ein echter Siegkandidat. Am ehesten ist John Degenkolb oder Politt ein Top-Ergebnis zuzutrauen. "Nicht rosig, aber auch nicht dunkel", findet Martin die deutschen Aussichten.
Das ZDF überträgt beim Kampf um die begehrten Regenbogentrikots die Elitewettbewerbe bei Frauen und Männern. Die Zeitfahren (24. und 25. September) sind im Livestream zu sehen, die wichtigsten Phasen der Straßenrennen (28. und 29. September) auch live im Fernsehen. Eurosport berichtet umfassend und zeigt auch die Nachwuchsrennen der JuniorenInnen und der U23-Klasse ausführlich. Über 30 Stunden sendet der Spartenkanal via TV (Eurosport 1+2) und Eurosport-Player live aus Großbritannien. Auch wer einen DAZN-Zugang besitzt, kann die Eurosport-Übertragungen per Livestream verfolgen.
Das Aufgebot des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) für die Straßenrad-WM in der Grafschaft Yorkshire/Großbritannien:
Zeitfahren: Tony Martin (34 Jahre/Cottbus/Jumbo-Visma), Nils Politt (25/Köln/Katusha-Alpecin)
Straßenrennen: Pascal Ackermann (25/Kandel/Bora-hansgrohe), Nikias Arndt (27/Buchholz/Team Sunweb), Marcus Burghardt (36/Zschopau/Bora-hansgrohe), John Degenkolb (30/Gera/Trek-Segafredo), Simon Geschke (33/Berlin), Jonas Koch (26/Schwäbisch-Hall/beide CCC Team), Jasha Sütterlin (26/Freiburg/Movistar), Politt
Mixed-Staffel:
Martin, Politt, Sütterlin
Lisa Brennauer (31/Durach/WNT-Rotor), Lisa Klein (22/Saarbrücken/Canyon SRAM Team), Mieke Kröger (26/Bielefeld/Team Virtu Cycling)
Zeitfahren: Brennauer, Klein
Straßenrennen: Kathrin Hammes (30/Köln), Clara Koppenburg (24/Lörrach/beide WNT-Rotor), Franziska Koch (19/Mettmann), Liane Lippert (21/Friedrichshafen/beide Team Sunweb), Brennauer, Klein
Wir wünschen den deutschen Athleten viel Erfolg!
Autor: DOSB/SID/BDR