Vor etwas mehr als einem Jahr (5. August) begannen die Olympischen Spiele Rio 2016. Luis Alberto Moreno, Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank und IOC-Mitglied zieht Bilanz.
Vor etwas mehr als einem Jahr (5. August) begannen die Olympischen Spiele Rio 2016. Luis Alberto Moreno, Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank und IOC-Mitglied zieht Bilanz.
Anlässlich dieses Tages muss ich an die außerordentlichen sportlichen Leistungen zurückdenken, die wir gemeinsam während der 16 fantastischen Tage im vergangenen August erleben durften. Der Jahrestag ist aber auch der Zeitpunkt, an dem die Medien das Erbe und die Folgen der Spiele für die Gastgeberstadt beleuchten.
Als ehemaliger Nachrichten-Redakteur, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und aktueller Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank, habe ich meine eigene Perspektive. Ich habe keine Zweifel, dass Rio de Janeiro dank der Olympischen Spiele heute besser dasteht, als es ohne die Spiele der Fall wäre.
Als sich das IOC 2009 entschied, die Olympischen Spiele zum ersten Mal nach Südamerika zu bringen, war Brasilien die große wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Region. Einige Jahre später stürzte das Land jedoch in eine beispiellose Rezession, die durch noch nie dagewesene politische und soziale Unruhen, die bis heute andauern, verschlimmert wurde.
Die Olympischen Spiele haben die aktuellen Probleme Brasiliens weder verursacht, noch werden sie diese lösen. Aber die Ausrichtung der Olympiade sorgte für einige Lichtblicke und einigen Fortschritt in einer ansonsten schwierigen Situation. Noch vor der Eröffnungsfeier wurden dank der Spiele direkt und indirekt Tausende dringend benötigter Arbeitsplätze geschaffen. Die angesehene brasilianische Getulio-Vargas-Stiftung stellte in einer Untersuchung vor den Spielen fest, dass das Pro-Kopf-Einkommen in Rio de Janeiro zwischen 2009 und 2016 um über 30 Prozent gestiegen war. Dies war das stärkste und ausgewogenste wirtschaftliche Wachstum in allen Städten Brasiliens. Von ihm profitierten alle Gesellschaftsgruppen. Keine andere brasilianische Stadt stand besser da.
Mindestens 1000 kleine und Kleinstunternehmen (MSEs) profitierten von einer Initiative, die diese Unternehmen in mit den Spielen zusammenhänge Projekte integrierte. Dadurch hatten diese aufstrebenden Firmen mehr Geschäftsmöglichkeiten und konnten zusätzliche Expertise und Bekanntheit erlangen. Dieses Programm wird von der Sebrae, einer brasilianischen Organisation zur Unterstützung von MSEs, unabhängig fortgeführt. Sebrae nutzt nun ihre bei den Spielen gemachten Erfahrungen, um kleine Unternehmen in die Lieferketten größerer Unternehmen zu integrieren.
Eines der weitreichendsten Vermächtnisse der Spiele ist die beispielhafte Nutzung öffentlich-privater Partnerschaften zur Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Rund 57 Prozent der Infrastruktur für die Spiele wurden privat finanziert. Das bedeutet, dass jeder von der öffentlichen Hand investierte brasilianische Real zusätzliche Vorteile für die Stadt brachte.
Umfangreiche private Investitionen
Die Spiele ermöglichten auch öffentliche Investitionen in die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs. So entstanden 170 neue Kilometer für U-Bahn, Stadtbahn und Metrobusse. Dies beschleunigte die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Von diesen Projekten profitieren die Pendler und Besucher Rios tagtäglich.
Umfangreiche private Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur sind für viele Unternehmen, Schulen, Haushalte und staatliche Einrichtungen in Rio ein weiterer großer Vorteil, von dem sie noch lange etwas haben werden.
Die für Brasilien lebenswichtige Tourismusbranche profitierte ebenfalls. Dem brasilianischen Tourismusministerium zufolge waren die Spiele die treibende Kraft hinter dem Rekordanstieg von Touristen im vergangenen Jahr. Dieser führte zu einem wirtschaftlichen Impuls von 6,2 Milliarden US-Dollar.
Zugegebenermaßen sind die Fortschritte bei der Gestaltung des olympischen Erbes in einigen Bereichen langsamer, als viele sich erhofft haben. Es kann aber kaum überraschen, dass die wirtschaftlichen und politischen Probleme Brasiliens die Umsetzung der Nachnutzungspläne für einige der olympischen Sportstätten verzögern. Dies gilt insbesondere für jene Projekte, die von Investitionen aus der Privatwirtschaft abhängig sind. Es können jedoch, trotz der Herausforderungen, bei mehreren Projekten Fortschritte verzeichnet werden.
Fünf temporäre olympische Schwimmbecken wurden ausgebaut, um anderswo wiederverwendet zu werden. Einer ist bereits zur Army Physical Education School in Rios Stadtteil Urca gebracht und neu installiert worden. Andere sind zum Transport in andere brasilianische Städte vorgesehen.
Die Hockey-Trainingsfelder wurden einer lokalen Universität übergeben. Sie werden nun von Studenten und Vereinen zum Spielen genutzt. Die Rio-Arena, der Golfplatz, die Tennisanlage, das Velodrom und die Carioca Arena 3 dienten seit den Spielen der Austragung von Sportveranstaltungen.
Das Land hat bereits viele Hürden genommen
Und es gibt noch mehr: Das Transforma-Bildungsprogramm, das acht Millionen brasilianischen Kindern in 16.000 Schulen gegenseitigen Respekt, Nichtdiskriminierung und andere olympische Werte vermittelte, wird ab diesem August mit finanzieller Unterstützung des Internationalen Olympischen Komitees weitergeführt.
Es steht außer Frage, dass noch viel mehr getan werden muss, damit Rio de Janeiro und Brasilien vollumfänglich von ihrem olympischen Erbe profitierten können. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass der Olympiapark der Spiele London 2012 erst 2014 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Heute befindet sich hier eines der dynamischsten Viertel der Stadt.
Viele Menschen hatten Zweifel, ob Brasilien erfolgreiche Olympische Spiele austragen könnte. Das Land hat im Vorfeld viele Hürden genommen, die Skeptiker eines Besseren belehrt und Spiele mit spektakulären Wettkämpfen und der typischen brasilianischen Lebensfreude organisiert.
Es wird Zeit und einen starken Willen brauchen, um die aktuelle Situation durchzustehen, aber ich bin zuversichtlich, dass Brasilien die Skeptiker erneut widerlegen wird.
(Autor: Luis Alberto Moreno)
Der Olympia-Park mit Christusstatue. Foto: picture-alliance