Es war wieder einer dieser Tage in Baku, der „Stadt der Winde“. Auf der offenen Trap-Anlage wehten die Hoffnungen der beiden Trap-Schützen Karsten Bindrich und Katrin Quooß auf eine Team-Medaille davon. Und auch in den umschlossenen 50-Meter-Schießstand bliesen heftige Böen, mit denen die Kleinkaliberschützen ihre liebe Mühe hatten.
Daniel Brodmeier vom Klub 1882 Saal, der WM-Zweite von 2014, kam mit den Bedingungen in der Qualifikation gar nicht zurecht und landete mit 610,4 Ringen auf Rang 27. Der 27 Jahre alte Student Henri Junghänel vom SV Rai-Breitenbach, EM-Zweiter von 2013, dagegen arbeitete sich mit ausgeglichenen Runden langsam vor und qualifizierte sich als Zweiter (617,9) fürs Finale der besten Acht.
Schwierige Wettkämpfe bei starken Winden
Aber auch für ihn war es „einer der schwierigsten Wettkämpfe, die ich seit sehr langer Zeit geschossen habe“. Windgeschwindigkeiten von 40 oder 50 Kilometer pro Stunde - das mache auf der Patrone doch einiges aus, sagte er. Da gelte es dann, „sehr viel Übersicht zu bewahren und die ganze Atmosphäre um einen herum zu beobachten, um keine dummen, schlechten Schüsse zu verursachen".
Insofern war dann das Finale in einer geschlossenen Halle fast ein anderer Wettbewerb. In etwa so, fragte ein britischer Journalist anschließend, als qualifiziere man sich im Stabhochsprung für die Endrunde, wo man dann Hürden laufen müsse? „So kann man das getrost sagen“, bemerkte Junghänel. Zudem war wohl wirklich nicht zu erwarten, dass ausgerechnet er die Bedingungen so goldglänzend meistern würde.
„Letzte Woche hatten wir die WM-Ausscheidung, die lief katastrophal“, erzählte Junghänel. „Ich habe letzte Woche sogar noch mal das Gewehr gewechselt.“ So sei zwar Selbstbewusstsein da gewesen, „aber die Ergebnisse in letzter Zeit haben nicht ganz mit dem Gefühl übereingestimmt“.
Nun aber blieb er auch die Ruhe selbst, als er zu Beginn der Elimination im Finale schon einmal führte, nach einer 9,9 zwischenzeitlich auf Rang fünf zurückfiel und vor den letzten beiden Schüssen noch einen Zehntelring hinter Marco de Nicolo aus Italien zurücklag. Mit einer 10,8 und einer 10,6 zog er wieder vorbei und siegte schließlich mit 208,5 Ringen deutlich vor dem Italiener (207,3) und dem Russen Sergej Martinow (186,3).
Junghänel war "Weltschütze des Jahres 2013"
Junghänel, vor zwei Jahren zum „Weltschützen des Jahres“ gewählt, genoss umso mehr auch das „großartige Gefühl“ des Erfolgs ausgerechnet in Baku. „Es sind die ersten Europaspiele“, sagte der Sieger. Es sei eine große Ehre, überhaupt dabei zu sein, und dann „noch viel gigantischer“, ganz oben gestanden zu haben. „Ich finde, der Stellenwert dieser Spiele ist enorm. Sie sind an sich schon ein Riesenereignis. Ich denke, sie könnten sich als zweitgrößtes Event hinter den Olympischen Spielen etablieren“, sagte er. „Und es ist etwas ganz, ganz Besonderes, gerade die ersten Europaspiele zu gewinnen.“ Das vermittelte er in fließendem Englisch auch den vielen internationalen Kamerateams, die den Sieger interviewten.
Qualifikation für Rio 2016 geschafft
„Sehr glücklich“ war Junghänel darüber hinaus, mit dieser Goldmedaille den zweiten Quotenplatz in dieser Disziplin, den elften insgesamt für den Deutschen Schützenbund (DSB), geschossen zu haben. „Eine Riesenerleichterung im Hinblick auf die Qualifikation für die Olympischen Spiele.“ Noch ist dieser Platz nicht mit seinem Namen verbunden. „Aber mit zwei Plätzen geht es leichter in die Spiele rein“, sagte er. „Das war sehr, sehr hilfreich heute.“
Und diesmal will er sich auch selbst qualifizieren. Vor London 2012 hatte er auch einen Quotenplatz für den Verband erreicht - aber dann die Spiele verpasst. „Vielleicht ein bisschen jugendliche Überheblichkeit, gemischt mit Unerfahrenheit“, wie er jetzt einräumte. „Jedenfalls soll mir das jetzt nicht mehr passieren.“ Diese Goldmedaille sei „ein ganz gutes Argument, dass ich es schaffen kann.“
(Quelle: DOSB)
Goldjunge Junghänel strahlt bei der Siegerehrung über seinen überraschenden Sieg und den Quotenplatz für Rio. Foto: DOSB