Vor der Bundestagswahl am 24. Spetember liefern die Parteien Antworten auf die Wahlprüfsteine des DOSB zum Thema Sport.
Vor der Bundestagswahl am 24. Spetember liefern die Parteien Antworten auf die Wahlprüfsteine des DOSB zum Thema Sport.
Spätestens in Wahlkampfzeiten entdeckt die Bundespolitik ihre Liebe zum Sport. Kein Wahlkreiskandidat, keine Kandidatin mit seriösen Aussichten kann es sich in diesen Tagen leisten, ein Fest des örtlichen Sportvereins auszulassen. Da werden Hände geschüttelt, da wird das Loblied auf das Ehrenamt, die Integrationsleistung und die andere zahlreichen Leistungen und Werte des Sports gesungen.
Viel weniger konkret und greifbar ist dagegen die Bedeutung des Sports in den Wahlprogrammen der Parteien. Um den Fachpolitiker der Parteien die Haltung zu bestimmten Themen zu entlocken, hat der DOSB sein Wahlhearing am 22. Juni 2017 durchgeführt. Im Anschluss haben wir den Parteien mit der Zusendung des DOSB-Positionspapiers die Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu den Forderungen des Sports zu positionieren. FDP und AfD haben nicht geantwortet, so dass hier nur die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort kommen. CDU/CSU, SPD und B90/DIE GRÜNEN haben sich in den Antworten am Schema der sieben DOSB-Positionen orientiert, DIE LINKE hat sich davon gelöst. Die jeweiligen Originalantworten der Parteien und die Kurzfassungen finden sich in vergleichenden Übersichten unter den einzelnen Forderungen des DOSB.
Alternativ oder ergänzend stehen Ihnen für einen Überblick zu den Positionen der Parteien zum Sport die anhängende subjektive und wertende Zusammenfassung und/oder eine thematische Synopse zur Verfügung. Unabhängig von der genutzten Quelle lässt sich schon heute sagen: Am Ende wird entscheidend sein, in wie weit der Sport und seine Themen bei der Regierungsbildung Eingang in den Koalitionsvertrag finden und wie viel am Ende davon umgesetzt wird. Und natürlich ist auch klar, dass der Sport in seiner ganzen Breite nicht auf Bundesebene gestaltet wird. Doch ein Gefühl für das Sportverständnis der Parteien und die jeweilige Schwerpunktsetzung verraten die Antworten schon.
Spitzen- und Leistungssport
Beim Thema Spitzen- und Leistungssport können die Parteien offenbar nicht aus ihrer Haut. Während die bisherigen Koalitionäre CDU/CSU und SPD die laufende Spitzensportreform grundsätzlich begrüßen, bleiben GRÜNE und LINKE ihrer bisherigen Rolle als Opposition treu. Dabei formuliert die Union sportnah: „Denn wer Spitzensport möchte, muss auch Spitzenbedingungen bieten“. Von „perfekten Trainingsbedingungen“, einer „breiten Sportkultur“, einem „Sportfördergesetz“ und der Erhöhung des Sporthaushalts ist die Rede. Im gleichen Fahrwasser agiert die SPD und erkennt eine Wechselwirkung zwischen sportlichen Erfolgen und optimalen Trainings- und Wettkampfbedingungen an. Darauf basierend fordert sie eine „signifikante“ Erhöhung der Mittel. Einziger eigener Profilierungspunkt ist die Forderung nach einer eigenständigen Athletenvertretung. Die LINKE weicht im Gegensatz dazu vom klassischen Verständnis der Bundeszuständigkeit beim Sport - ausschließlich für den Spitzensport - deutlich ab. Die „Einheit von Breiten, Freizeit- und Gesundheitssport, Kinder- und Seniorensport, von Behinderten- und Rehabilitationssport sowie Leistungssport im Nachwuchs- und Hochleistungsbereich“, stehen im Mittelpunkt der Überlegungen. So fordert die LINKE die Verankerung des Sports als Staatsziel im Grundgesetz, ein Sportfördergesetz und die Umwidmung des Sports zur kommunalen Pflichtaufgabe. Forderungen, die unabhängig von Durchsetzbarkeit und Zuständigkeit ganz im Sinne des DOSB sind. Die GRÜNEN ihrerseits argumentieren, ganz in der Tradition ihres parlamentarischen Agierens in den vergangenen beiden Legislaturperioden, im Sinne eines ganzheitlichen und dem Spitzensport gegenüber eher kritischen Sportverständnis. Der Kampf gegen Korruption, Doping und sexualisierte Gewalt stehen im Mittelpunkt der Überlegungen, die nach GRÜNEN-Philosophie auch die völlige Transparenz der Spitzensportförderung beinhaltet.
Gemeinnützigkeit, Ehrenamt und freiwilliges Engagement stärken
Das besagte Lied auf die Bedeutung des Ehrenamts kann in Zeiten des Wahlkampfs von der Politik wahrlich nicht laut genug gesungen werden. Von „Dank und unserer Wertschätzung“(SPD) „Helden des Alltags“(CDU/CSU) und einer „Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens“ (DIE LINKE) ist hier die Rede. Die GRÜNEN fassen es allgemein mit „Eine starke Zivilgesellschaft ist das Rückgrat unserer Demokratie“ zusammen. Dank, Anerkennung und Respekt werden allerorten ausgesprochen, doch wie sieht es mit konkreten Angeboten aus: Die Union will „das Ehrenamt auf allen Ebenen stärken und fördern…“, indem sie von Bürokratie entlastet, durch Beratungsangebote unterstützt und die Einrichtung einer Ehrenamts-Service-Agentur oder einer Ehrenamtsstiftung in den Raum stellt. Die SPD will ebenfalls Bürokratie abbauen, verweist auf die Erfolge der Vergangenheit im Bereich der Übungsleiterpauschale und des Programms „Hilfen für Helfer“, und bietet den Trägern des ehrenamtlichen Engagements einen Dialog an, um gemeinsam die Attraktivität von Engagement zu steigern. Die GRÜNEN fordern mehr Geld für die Engagementförderung, damit es „nicht in Überforderung mündet!“. Zudem soll mit einem Hauptausschuss Bürgerschaftliches Engagement im Bundestag die Bedeutung des Ehrenamts und durch ein Demokratiefördergesetz die langfristige Förderfähigkeit verbessert werden. Einen konkreten Sportbezug kann man hier, im Gegensatz zu den LINKEN, allerdings kaum erkennen. Bei den LINKEN ist die Erkenntnis „die Bedingungen für die ehrenamtliche Tätigkeit sind jedoch nicht in dem Maße gewachsen wie die Anforderungen“ der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. „Steuerliche Vergünstigungen und ein vereinfachtes Vereinsrecht“, werden in Aussicht gestellt. Weit darüber hinaus geht der LINKEN-Ansatz „Sportfreundliche Gesellschaft“. Hier soll bereits im Kita- und Schulalter eine positive Sporteinstellung antrainiert werden. Die Schwimmfähigkeit müsse erhalten und die Standards des Sportunterrichts in den Bundesländern vereinheitlicht werden.
Sportgroßveranstaltungen am Standort Deutschland fördern
Trotz teilweise formulierter Kritik an den internationalen Sportorganisationen wie IOC, FIFA und UEFA sind alle vier Parteien, unter Einhaltung bestimmter Kautelen, für die Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen in Deutschland. Die SPD konstatiert eine Bedeutung für die „Stärkung der Sportentwicklung“, die Union sieht „entscheidende Innovationen und Entwicklungsschübe“ durch die Ausrichtung. Beim Thema Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele überwiegt bei den Parteien hingegen eine Grundskepsis. Vorwürfe von Vetternwirtschaft, Korruption, Gigantismus usw. schwingen hier mit. So fordert die SPD „vor Ort die Bevölkerung mitnehmen und transparent agieren“, die Linke will Klarheit über die anschließenden „Bewirtschaftungskosten für die öffentliche Hand“. Für die GRÜNEN ist eine Volksbefragung unerlässlich und sie setzen sich für ein Ende der Steuerfreiheit für die internationalen Sportorganisationen ein. Mittelfristig sollte nach Meinung der GRÜNEN durch politisches Agieren auf EU-Ebene zum Schutz der Integrität des Sports, internationales Vernetzen und die Einflussnahme durch deutsche AthletInnenvertreter in internationalen Sportorganisationen ein Umdenken stattfinden.
Infrastruktur von Deutschland modernisieren
Funktionierende Sportstätten sind Grundvoraussetzung für eine positive Sportentwicklung eines Landes und daher sind in diesem Bereich geplante Verbesserungen in der Zukunft über alle Parteigrenzen hinweg erkennbar. Alle vier Parteien anerkennen einen Sanierungsstau und die Erkenntnis, dass die Kommunen alleine damit überfordert sind, diesen Stau abzubauen. Insbesondere bei der Union kommt es beinahe einem Paradigmenwechsel gleich, wenn sie formulieren: „Den Sanierungsstau, werden wir deshalb mit einem profunden Bundesprogramm abbauen“. Die SPD sieht die Notwendigkeit für ein „mehrjähriges Förderprogramm für die Sportinfrastruktur“ und die GRÜNEN nennen ein konkretes „10-Milliarden-Programm zugunsten von Schulgebäuden einschließlich der Schulsportstätten“. Nach Ansicht der GRÜNEN muss es zu einer grundsätzlich neu organisierten Finanzausstattung der Kommunen kommen, um „Bürgerinnen und Bürgern Sportstätten und Bäder zur Verfügung zu stellen“. Die LINKE würde gerne den „Goldenen Plan für Sportstättenbau“ neu beleben. Im Kontext verweisen die bisherigen Koalitionäre auf die Erfolge bei der Sportanlagenlärmschutzverordnung SALVO. Eine Ausweitung der Kinderlärmprivilegierung auf die Sportanlagen finden sich jedoch nur bei der SPD und den GRÜNEN wieder.
Gesundheitsfördernde Potenziale des Sports nutzen
Beim Thema Sport und Gesundheit hat die LINKE den breitesten Ansatz, denn sie identifiziert nicht nur Bewegungsmangel als großes Gesundheitsrisiko, sondern erklärt den Sport auch zum „Kulturgut“. Basierend auf dieser These fordert sie tägliche Bewegungsstunden in Bildungseinrichtungen, drei Stunden Sport in der Schule sowie zwei Stunden außerschulischer Sport pro Woche. In diesem Kontext sollen Sportvereine, die insbesondere Kinder und Jugendliche fördern auch finanziell und materiell unterstützt werden. Ausgesprochenes Lob von den GRÜNEN gibt es für das DOSB-Siegel „Sport pro Gesundheit“, das als „Qualitätsstandard“ angesehen wird. Ziel der GRÜNEN bei der Erreichung einer gesunden Lebensführung ist die Chancengleichheit „unabhängig von Einkommen, Herkunft und Bildungsstand“. SPD und Union sehen sich mit der Weiterentwicklung der Programme im Kontext des Präventionsgesetzes auf einem guten Weg. Motiv für eine intensivere Befassung mit dem Thema ist für die SPD insbesondere die demografische Entwicklung. Beim angeblich mit zusätzlichen Mitteln ausgestatteten „inklusiven Spitzensport“ allerdings verheddern sich m.E. die Sozialdemokraten, denn paralympischer Spitzensport ist nicht inklusiv.
Bildung im Sport anerkennen und nutzen
Die Union scheint im Bereich non-formale Bildung kurz vor dem Sprung über den eigenen Schatten zu stehen. „Sportvereine sind also wichtige außerschulische Lernorte, ohne die unser Gemeinwesen nicht funktionieren würde“, heißt es dort und die Aufnahme in den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) soll für Abschlüsse aus dem Sport möglich werden. Die SPD versteht Bildung und Sport eher traditionell und sieht Ausbau- und Verbesserungsmöglichkeiten bei den Kooperationen zwischen Schule und Sportverein. Interessant ist dabei auch, dass die SPD unter diesen Punkt auch die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse von Trainerinnen und Trainern im Rahmen der Spitzensportreform subsummiert. Einen eher pädagogischen Ansatz verfolgen dagegen die GRÜNEN, die ausführen: „zunehmende Digitalisierung des Alltags darf die Körperlichkeit des Menschen nicht an den Rand drängen.“ Kritik wird am Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung geäußert: „Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringem Einkommen werden zu wenig unterstützt und können durch das BuT zu wenig an Sport, Musik und Kultur teilhaben.“
Vielfalt im Sport ermöglichen und Zusammenhalt der Gesellschaft stärken
Die integrative Kraft des Sports ist für alle vier Parteien eine herausragende Stärke, die auch in Zukunft unterstützt und gefördert werden soll. Die SPD nutzt dabei die Gelegenheit sich bei den Engagierten im Sport und in den Vereinen im Land für die praktische Hilfe beim Sporttreiben von Flüchtlingen zu bedanken. Kritik wird bei diesem Thema am Koalitionspartner geäußert: „Unsere Bemühungen die Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale nicht mehr mit den Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz zu verrechnen“ seien gescheitert, da der Gesetzentwurf immer noch im Vermittlungsausschuss hänge. Die Union sieht die Leistungen des Sports bei der Integration als Grundlage bei der Herausbildung einer „friedlicheren und besseren Gesellschaft“. In Zukunft wolle man sich für eine inklusive Gesellschaft einsetzen. Dies gelte auch besonders im Bereich des Sports, wo Barrierefreiheit bei der Sanierung von Sportinfrastruktur Grundvoraussetzung werden soll. Auch hier taucht der missverständliche Begriff vom inklusiven Spitzensport auf.
Die positiven Werte des Sports finden bei den GRÜNEN Erwähnung: „Wenn viele Menschen Sport treiben, dann profitiert auch die Gesellschaft als Ganzes“. Die Gendergerechtigkeit sollte im Sport vorangetrieben werden. Darüber hinaus wollen die GRÜNEN das Programm „Integration durch Sport“ ausbauen, die Prävention in der Fanarbeit über die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) intensivieren und Kollektivstrafen gegen Fangruppen reduzieren. Zudem soll gegen sexualisierte Gewalt, Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie auch im sportlichen Kontext vorgegangen werden. Hierbei wollen die GRÜNEN die Deutsche Sportjugend bei ihren zahlreichen Programmen unterstützen. Die LINKE ihrerseits will das Programm „Integration durch Sport“ von derzeit 11 Millionen € verdoppeln und „mindestens für die kommenden fünf Jahre verstetigen“.
Fazit
Ein paar Versprechungen und viel Altbekanntes sowie zwei Nullnummern. Doch selbst durch Wiederholung oder Ignorieren wird es nicht unwahrer, dass Sport in unserer Gesellschaft ein starker Träger der Zivilgesellschaft ist und öffentliche Förderung und Anerkennung verdient. Wenn wie in den Antworten herauszulesen ist, dass die Union plötzlich die Bildungsleistungen des Sports in den Deutschen Qualifizierungsrahmen aufnehmen will und eine Bundesförderprogramm für Sportstätten auflegen will, dann stellt dies sogar eine neue Qualität dar. Die beiden bisherigen Oppositionsparteien leisten sich den Luxus Wahlversprechen – wie die Verdopplung des Programms Integration durch Sport (LINKE) und 10-Milliarden-Programm für Schulen und Sporthallen (GRÜNE) – ohne Rücksicht auf die originäre Bundeszuständigkeit oder die Finanzierbarkeit. Unabhängig von Details werden die Leistungen des Sports für unser Gemeinwesen von den Parteien anerkannt. Auf der Basis der gemachten Aussagen muss es dem Sport in einer gemeinsamen Anstrengung gelingen, die Anliegen der größten Bürgerbewegung unseres Landes noch stärker zur Querschnittsaufgabe der Bundesministerien und des Bundestags zu machen.
Die FDP übersandte am 18. September ihre Antworten auf die Wahlprüfsteine des DOSB.
Antwort der FDP auf das Positionspapier des DOSB
(Quelle: DOSB/Christian Sachs, Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Sports)